Experimentierlust und Forschergeist
Clara Iannotta und 50 weitere Komponistinnen
Clara Iannotta ist in der Saison 2024/25 die Komponistin im Fokus des Musikvereins. Werke von Komponistinnen stehen darüber hinaus im Zentrum eines über mehrere Jahre angelegten Kooperationsprojektes.
© Manu Theobald
Ein „Schallbild“ – das ist für Komponistin Clara Iannotta oft der Ausgangspunkt einer Arbeit. Wenn die Werke der „Komponistin im Fokus“ im Oktober in Kooperation mit Wien Modern im Musikverein aufgeführt werden, kann man sich einen Eindruck davon verschaffen, was sie damit meint: „Ich gehe beim Komponieren nicht von den Instrumenten aus, sondern von etwas, das ich mir innerlich vorstelle. Und dann strebe ich an, mit dem, was die Instrumente hergeben, so nah wie möglich an dieses Idealbild heranzukommen“, so Iannotta im Interview. Wenn sie es für nötig hält, baut sie die Instrumente dafür auch schon mal um. „Das hat seine Wurzeln in meiner Kindheit, als mein Vater kein Spielzeug für mich kaufte, sondern mir zeigte, wie ich eines basteln könne. So ähnlich gehe ich in meiner Musik vor.“
© François Roelants
Ihre Karriere begann die 1983 geborene Clara Iannotta als Flötistin, ab dem Alter von sechs Jahren nahm sie – nachdem sie beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker im Fernsehen ein Flötensolo bewundert hatte – Unterricht. Doch einer ihrer Lehrer legte ihr nahe, dass sie noch besser werden könne, wenn sie auch Komponieren lernte. „Bald hatte ich daran so viel Freude, dass ich nach und nach von der Flöte abkam und ganz bei der Komposition blieb.“ Der Erfolg gibt ihr recht: Ihre Werke wurden unter anderen beim Maggio Musicale Fiorentino, in Mailand, Paris und Venedig aufgeführt. Sie komponierte beispielsweise für das Quatour Diotima, das Ensemble Intercontemporain und das Klangforum Wien. Ihre Porträt-CDs „A Failed Entertainment“, „Moult“ und „Earthing“ wurden mit Plätzen auf der Bestenliste und Preisen der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet, auch den Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung und den Hindemith-Preis erhielt sie. Neben ihrer Kompositionstätigkeit ist Iannotta Professorin für Komposition an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien sowie musikalische Leiterin der Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik.
Ihr Tun ist jedenfalls immer von Experimentierlust und Forschergeist beherrscht, ein Changieren zwischen experimenteller Instrumentenbehandlung und Elektronik häufig. Dazu kommen die Gedichte von Dorothy Molloy, die sie inspirieren. „Meine Arbeiten sind eine Hommage an sie und eng mit ihren Texten verbunden. Als ich das erste Mal ‚Troglodyte Angels Clank By‘ las, hatte ich gleich diesen mit Staub gefüllten, dunklen Raum vor mir, in dem man im ersten Moment nichts wahrnehmen kann und in dem sich genau deshalb die Wahrnehmung stark verändert.“ Aus dieser Assoziation heraus schuf Iannotta das gleichnamige Werk, in dem sich erst allmählich Einzelereignisse durch Instrumente, Farben und Klänge herausschälen. „Troglodyte Angels Clank By“ wird unter jenen Werken sein, die im Musikverein aufgeführt werden. Auch die österreichische Erstaufführung des Klavierkonzerts „the purple fuchsia bled upon the ground“ ist dabei – mit Pierre Laurent Aimard als Solist. In all ihren Arbeiten möchte Iannotta Räume erzeugen, in denen die Hörenden bildlich gesprochen herumwandern und Entdeckungen machen. So beschreibt sie ihre Musik als eine, die „das Publikum auffordert, nicht nur seine Ohren, sondern auch andere Teile seines Körpers zu nutzen, um meine Kompositionen wahrzunehmen“.
Insgesamt mehr Komponistinnen auf die Spielpläne zu bringen ist das Anliegen der „Akademie Zweite Moderne“ der Wiener Festwochen und des Arnold Schönberg Centers, die 2025 in Kooperation mit dem Musikverein stattfindet. Dabei werden Komponistinnen aus der ganzen Welt unter der Schirmherrschaft von Nuria Schoenberg Nono nach Wien eingeladen, um sich zu vernetzen, Strategien der Sichtbarkeit zu entwickeln sowie eigene Arbeiten zu präsentieren. Diese werden vom Klangforum Wien aufgeführt. Das Projekt läuft über fünf Jahre, in jedem Jahr werden zehn Komponistinnen eingeladen, der Musikverein beteiligt sich. Ziel ist es, dass insbesondere Konzert- und Opernhäuser sich selbst verpflichten, den Werkanteil von Komponistinnen in ihrem Programm deutlich zu erhöhen.
Theresa Steininger