Schumanns Symphonien sind nicht selbstverständlich so anerkannt wie die von Brahms. Giuseppe Sinopoli sagte über die Zweite Schumann einmal, sie trüge kranke Züge. Richard Wagner spottete, Schumann könne nicht instrumentieren ...Man könnte meinen, die sozialen Medien hätten schon damals existiert: Das sind Fake News! Und sie hatten Folgen: Sogar ein großes Genie wie Gustav Mahler hat seine eigenen Fassungen der Schumann-Symphonien erstellt und alles verwässert. Das muss man nicht. Ich retuschiere nur sehr, sehr wenig. Ein kleines bisschen in der 4. Symphonie, nur für die Balance. Vielleicht werde ich das im Zuge der Einstudierung jetzt noch stärker reduzieren. Ich bin aufgewachsen mit der Aufführung von Furtwängler. Er hat die 4. Symphonie einmalig dirigiert. 15 Jahre nach Furtwänglers Tod kam ich zu den Berliner Philharmonikern, um sie dort selber zu dirigieren. Da gab es noch mehrere Musiker im Orchester, die sie unter Furtwängler gespielt hatten. Es hat mich interessiert, wie viel von seinem Geist noch geblieben war – und es war sehr viel.
Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Schumann und Brahms beschreiben? Schumann hat das große Talent von Brahms sofort erkannt und gefördert, als Brahms nach Düsseldorf kam. Brahms hat Schumann sehr bewundert und selbstkritisch eigene Kompositionen vernichtet.
Man erkennt auch in ihrer Musik, wie unterschiedlich ihre Charaktere waren. Das Weibliche, Feminine ist bei Schumann viel präsenter als bei Brahms.
Was hat Brahms in Schumann entdeckt?
Ich glaube die Freiheit: Freiheit der melodischen Linien, das Rubato, die Freiheit der Harmonie ...
Sie kombinieren die Symphonien in den Konzerten genau nach ihrer Nummerierung: die Erste Schumann mit der Ersten Brahms und so fort.
So passen sie besonders gut zueinander, auch unter dem Aspekt ihrer Kontraste: Die Erste von Brahms ist dramatisch, sie knüpft an Beethovens Fünfte an. Schumanns Erste ist heiter und gar nicht dramatisch. Schumanns Zweite sucht die Größe, während Brahms’ Zweite von Beethovens „Pastorale“ herkommt. Und in ihren 3. Symphonien schaffen beide Komponisten für sich etwas ganz Neues. Bei Schumann hört man zum ersten Mal die große symphonische Geste. Brahms traut sich hier, mehr Extreme zu verwenden als in den ersten beiden. Sein Werk ist ein Wunder an Kontrasten, an Stimmungsumschwüngen. Andere Dirigenten dirigieren hier erst Brahms und dann Schumann, weil Brahms’ 3. Symphonie leise endet. Ich aber habe keine Angst vor einem leisen Ende.
Das Gespräch führte Julia Spinola