Musikverein Perspektiven: Peter Zumthor

Peter Zumthor ist einer der bedeutendsten Architekten der Welt. In den Musikverein Perspektiven steht er als leidenschaftlicher Musikmensch im Zentrum. 15. bis 22. November 2023.

© Brigitte Lacombe

Ein Nachmittag in den Schweizer Alpen. Wir treffen Peter Zumthor in seinem Studio und in seinem Zuhause. Es ist ein wolkenverhangener Tag, es ist kalt, die Berge, die Luft, die Klarheit und Offenheit seiner Wohn- und Arbeitsräume klären den Blick, die Gespräche und Gedanken. Wir sind mit Peter Zumthor verabredet, nicht um über sein architektonisches Schaffen zu sprechen, sondern über sein Hören: über seine Leidenschaft für Musik, die er immer wieder als „die größte der Künste“ bezeichnet hat, über Klänge aus der Kindheit, über Stücke, Komponistinnen und Komponisten, die ihn beeindruckt haben. Wir sprechen über Bach, über Zwiegespräche zwischen Stimme und Soloinstrumenten. Es geht ihm um Intensität, er spricht über Farbe und Glut später Beethoven-Streichquartette, über Schostakowitsch, über Archaik, den rauen, ungeschliffenen Ton einer Violine solo. Wir sprechen über Schubert, der ihm besonders nahe ist, über die Kombination mit Bach und Kurtág. Und immer wieder über die menschliche Stimme: über Gesang, Gregorianik, polyphone Gesänge aus der Renaissance, die ihn schon als Kind berührt haben, in Kirchenräumen, die zu seinen frühen Erlebnissen von Architektur gehören und zugleich seine Faszination für die Stimme und den Klang prägen.

Dass beim Zuhören manchmal schon bei den ersten Tönen eines Stücks eine Atmosphäre, eine Stimmung entsteht, diese blitzschnelle, unmittelbare, emotionale Mitteilsamkeit von Musik ist ein Phänomen, dem er sich mit den Mitteln architektonischer Gestaltung immer wieder neu annähert. „Ich liebe Musik und bin glücklich, wenn ich neue Dinge höre, die mich anregen, in meiner Arbeit Neues zu versuchen“, hat er in einem früheren Interview einmal gesagt. Er ist, das wird immer deutlicher, lebhaft daran interessiert, in Gesprächen mit Komponistinnen und Komponisten gemeinsam einer Frage auf den Grund zu gehen, die ihn antreibt: Wie schafft man etwas Neues? Und so kommen wir von Bach, Schubert und Beethoven über Klassiker des 20. Jahrhunderts wie Schönberg, Nono, Sciarrino und Xenakis schnell zu lebenden Komponistinnen, deren Werke er schätzt, wie Rebecca Saunders, Isabel Mundry und Olga Neuwirth. 

Wir sprechen über mögliche Uraufführungen, die ihn interessieren könnten, über Räume für Konzerte in und um Wien. Er ist kritisch, zugleich aber auch zunehmend begeistert von der Vorstellung, im Jahr seines 80. Geburtstags in ein großes musikalisches Abenteuer in Wien einzutauchen. In diesem Gespräch, weiterentwickelt in den folgenden Monaten – sozusagen als Erholung von der Arbeit an seinen großen Museumsbauten in Los Angeles und Basel –, entsteht der Plan für eine Woche „Musikverein Perspektiven“ im Festival Wien Modern: gemeinsam entwickelte Konzerte und Gespräche von Peter Zumthor mit Komponistinnen und Komponisten in den Sälen des Musikvereins, aber auch an atmosphärisch starken Orten wie dem Kreuzgang des Stifts Klosterneuburg und dem Reaktor im ehemaligen Etablissement Gschwandner. Wir freuen uns, Sie im November 2023 eine Woche lang zu sehr persönlichen Begegnungen mit dem legendären Pritzker-Preis-Träger und leidenschaftlichen Musikmenschen Peter Zumthor einladen zu dürfen. 

Ein Text von Stephan Pauly und Bernhard Günther.

Eine Kooperation von

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