Zum Geburtstag, viel Tanz! Johann Strauß im Musikverein – damals und heute

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Eigentlich wird sein 200. Geburtstag erst im Oktober gefeiert, doch die Johann-Strauß-Feierlichkeiten nehmen bereits jetzt Fahrt auf: Franz Welser-Möst dirigiert im Musikverein ein Operetten-Pasticcio am Pult der Wiener Philharmoniker, die Reihe „Aus der Schatzkammer“ wendet sich dem Strauß-Œuvre in kammermusikalischer Besetzung zu. Doch welche (historische) Bedeutung hat eigentlich Johann Strauß Sohn für die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien – und welche Bedeutung hatte der Musikverein für den Komponisten? Eine Spurensuche in drei Kapiteln von Archivdirektor Johannes Prominczel.

Von Johannes Prominczel

26.01.2025

Kapitel eins:
Vom Vater zum Sohn
Im 19. Jahrhundert waren die Grenzen zwischen den Musikrichtungen, die heute gern mit den Bezeichnungen E und U bedacht werden, vielfach fließend. Auch bei der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien wurden Werke von Beethoven oder Haydns Oratorien genauso gespielt wie Musik von Vertretern der leichten Muse, zu denen auch der die Massen begeisternde Gioacchino Rossini gezählt werden darf. Johann Strauß (Vater) schaffte es zwar nicht in den Konzertsaal, im Ballsaal war er aber unverzichtbar und vor allem nach dem Tod Joseph Lanners der führende Tanzkapellmeister. Dass der Walzerkönig senior auch für die Gesellschaft der Musikfreunde tätig war, ist daher wenig überraschend. 1836 etwa, als Johann junior noch die Schulbank drückte, präsentierte der Vater „seine neuesten Walzer unter dem Titel Heimath-Klänge“, wie in einer Zeitung zu lesen war.
So erfolgreich Vater Strauß mit seiner Kapelle war, so zerrüttet waren seine Familienverhältnisse. Ohne sich von seiner Frau Anna zu trennen, hatte er mehrere Kinder mit seiner Geliebten. Anna, finanziell abhängig, ließ sich erst scheiden, als ihr ältester Sohn Johann ebenfalls ins Tanzmusikgeschäft einstieg – als Konkurrent des Vaters. Sie war es auch, die die Söhne Johann (Sohn), Josef und Eduard im Familienunternehmen „Straußkapelle“ nach dem Tod des Vaters 1849 einte und die zahlreichen Konflikte glättete.
Zuerst etablierte sich Johann Strauß (Sohn) als legitimer Nachfolger seines Vaters und übernahm dessen Kapelle. Später traten auch die Brüder in den Tanzkapellenbetrieb ein. War der Vater mit seiner Kapelle mehrmals bei Gesellschaftsbällen aufgetreten, so konnte dies Johann (Sohn) vorerst nicht gelingen, da die Gesellschaft der Musikfreunde für mehr als zwanzig Jahre keine Bälle veranstaltete. Der erste Auftritt von Johann Strauß (Sohn) bei den Musikfreunden dürfte erst am 11. November 1862 erfolgt sein. An diesem Tag wurde das fünfzigjährige Bestehen der Gesellschaft der Musikfreunde mit einem „Vergnügungsabend“ gefeiert – einer Mischung aus heiterer Festveranstaltung, Bankett und Ball. Da der eigene Saal im „alten“ Musikvereinsgebäude unter den Tuchlauben nicht groß genug war, fand die Veranstaltung im Gasthof „Zum Sperl“ in der Leopoldstadt statt, in dem es einen Tanzsaal gab.

Kapitel 2:
Die Promenadenkonzerte
Das zweite Kapitel in der Beziehung zwischen Johann Strauß (Sohn) und der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien wurde 1870 mit der Eröffnung des neuen, heutigen Musikvereinsgebäudes am Karlsplatz aufgeschlagen. Erstmals hatte Wien einen veritablen Saal, der primär der Konzert­ver­an­staltung gewidmet war: primär, weil es auch eine Reihe von Bällen, Auftritten von Zauberkünstlern, politischen Versammlungen und Ähnlichem im Musikvereins¬gebäude gab – nicht zuletzt weil nach dem Kraftakt der Errichtung des Hauses Geld benötigt wurde, das durch Vermietung eingenommen werden konnte.

Für die Eröffnung des Saals steuerten die Brüder Strauß jeweils Kompositionen bei. In der Zwischenzeit hatte Johann allerdings seinen Brüdern die Leitung der Kapelle übertragen, um sich ganz der Operette zu widmen. Josef starb wenige Monate nach der Eröffnung des Musikvereinsgebäudes. Es war an Eduard, ein neues Konzept in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft der Musikfreunde zu verwirklichen: die Promenadenkonzerte. Es handelt sich dabei um eine Reihe von Konzerten für die Sonntagnachmittage von Oktober bis etwa März oder April. Damit wurde versucht, die in den Kurstädten im Sommer üblichen Platzkonzerte, bei denen man sehen und gesehen werden wollte, in den Großen Musikvereinssaal zu holen. Vorne spielte die Strauß-Kapelle, und in den ersten Reihen wirkte es wie ein herkömmliches Konzert. Weiter hinten im Saal konnte man an Tischen Getränke konsumieren, sich frei bewegen, vielleicht auch plaudern und promenieren.
Diese Konzerte bestanden nahezu dreißig Jahre bis zur Auflösung der Strauß-Kapelle. Sie waren fortan der Ort für die Uraufführungen der Tänze von Johann Strauß (Sohn). Mehr als fünfzig lassen sich im Musikverein nachweisen. Erwähnenswert ist, dass sich der Komponist fortan in seinen Walzern, Märschen und Polkas vor allem von seinen Operetten inspirieren ließ und Motive daraus verarbeitete.

Besonders denkwürdig unter den Uraufführungen im Großen Musikvereinssaal war wohl 1892 der Walzer „Seid umschlungen Millionen“, op. 443. Eine Auftragskomposition, von der Johannes Brahms seinem Verleger Fritz Simrock brieflich mitteilte, sie habe „allen ein großes Vergnügen gemacht“. Der Werktitel stammt aus Friedrich Schillers „Ode an die Freude“. – Gefreut dürfte sich Johann Strauß Sohn 1894 haben, als ihm die Gesellschaft der Musikfreunde anlässlich seines 50-jährigen Künstlerjubiläums die Ehrenmitgliedschaft verlieh.

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Kapitel 3:
Strauß und die Nachwelt
Bereits zwei Tage nach dem Tod von Johann Strauß (Sohn) im Juni 1899 wurde bekannt, dass die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien als Universalerbin eingesetzt war. Mehrere Häuser in Wien und eines in Bad Ischl sowie ein beträchtliches Vermögen fiel ihr zu. Die Häuser waren allerdings belehnt, Leibrenten und Legate mussten daraus bestritten werden, sodass unklar ist, ob die Erbschaft tatsächlich den kolportierten 300.000 bis 400.000 Gulden entsprach (nach heutiger Währung mehr als fünf Millionen Euro). Selbstverständlich war es jedenfalls, im darauf folgenden Jänner ein Gedenkkonzert im Musikverein zu veranstalten.

Seit 1939 finden – veranstaltet von den Wiener Philharmonikern – Neujahrskonzerte im Großen Musikvereinssaal statt. Ursprünglich als Silvesterkonzert begründet und dem karitativen (nationalsozialistischen) „Winterhilfswerk“ gewidmet, stand anfangs ausschließlich Musik von Johann Strauß (Sohn) auf dem Programm. Der Titel lautete auch „Johann Strauß Konzert“. Bereits ein Jahr später, 1941, fand das Konzert am Neujahrstag statt. Der Rest ist Geschichte.
Im Johann-Strauß-Jahr 2025 erfährt auch die Strauß-Tradition der Gesellschaft der Musikfreunde neue Impulse. Ein Hauch „Promenadenkonzert“ wird in der Luft liegen, wenn die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Franz Welser-Möst Strauß als Operettenkomponisten würdigen. Und die vom Archiv des Musikvereins gestaltete Konzertreihe „Aus der Schatzkammer“ widmet sich dem Strauß’schen Œuvre, wie es vielfach in den Post-Biedermeier-Wohnzimmern gespielt wurde: in kammermusikalisch kleiner Besetzung.

Montag, 10. Februar 2025

Maria Kubizek | Violine
Florian Schönwiese | Violine
Rudolf Leopold | Violoncello
Christoph Berner | Klavier
Johannes Prominczel | Moderation

Johann Strauß Sohn und seine Familie
Zum 200. Geburtstag von Johann Strauß

Werke der Familie Strauß

Sonntag, 30. März 2025

Wiener Philharmoniker
Franz Welser-Möst | Dirigent
Christiane Karg | Sopran
Piotr Beczała | Tenor

Johann Strauß Sohn
Pasticcio aus den Operetten
Der Carneval in Rom
Fürstin Ninetta
Simplicius
Der Zigeunerbaron
Die Göttin der Vernunft
Waldmeister
Der lustige Krieg

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