Über logisch nicht begründbare Ideen: Quantenphysik und Musik

© Julia Wesely
In den „Musikverein Perspektiven: Anton Zeilinger“ im März geht es unter dem Motto „Das Unbeschreibbare beschreiben“ mit Werken von Bach, Bruckner, Theodorakis, Messiaen, Schubert und Pärt um die Paradoxien menschlicher Erkenntnis.

Von Daniel Ender

05.03.2025

„Was also ist die Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich’s; will ich’s aber einem Fragenden erklären, weiß ich’s nicht.“ So paradox beklagte sich schon der Kirchenvater Augustinus von Hippo über die Grenzen menschlicher Erkenntnis und der Möglichkeit, sie in Worte zu fassen. In der Geschichte sind Menschen immer wieder an die Limits des Fassbaren gestoßen, und zwar sowohl in der Wissenschaft als auch in der Religion und in der Kunst. Seit der Musik besonders tiefgehende Erfahrungen zugetraut wurden, stellte man auch hier fest, dass dies immer nur unvollkommen beschrieben werden kann. Schon Johann Friedrich Reichardt, Komponist, Publizist und Freund Johann Wolfgang Goethes, formulierte, dass „der höchsten, lebhaftesten Empfindung Worte fehlen“. Robert Schumann und nach ihm viele andere waren der tiefen Überzeugung, dass allein die Poesie imstande sei, dem tiefen Eindruck musikalischer Kunstwerke nahe zu kommen – und auf keinen Fall sachliche Beschreibung und Analyse.
Es lässt sich wohl tatsächlich die Erfahrung machen, dass sowohl Spüren, Ahnen und Fühlen wesentliche Schritte in Richtung Erkenntnis sein können als auch Nachdenken und analytisches Beschreiben. Für Anton Zeilinger liegt dabei das Entscheidende ganz klar im Bereich der Intuition: „Ich glaube, keine Wissenschaft ist so konstruiert, dass die wirklich neuen Dinge dadurch zustandekommen, dass man nachdenkt und linear Schlüsse zieht. Sondern es kommt von irgendwoher eine Idee, die ist nicht logisch begründbar, sonst wär’ es ja nichts Neues, sonst wär’ es ja nur eine Folge des Bisherigen.“

In seinem Buch „Einsteins Schleier – Die neue Welt der Quantenphysik“ befasst sich Zeilinger ausführlich mit dem Phänomen des Zufalls und folgt dem Mitbegründer der Quantenmechanik Werner Heisenberg in der Überlegung, dass es auch im Alltag bloß einen „subjektiven“, einen scheinbaren Zufall gibt, der nur dadurch zustande kommt, dass wir jeweils einfach zu wenig wissen, um einen Zusammenhang zu erkennen.
Übertragen auf seine Forschungen, überlegt Zeilinger in diesem Buch weiter, könnte es durchaus sein, „dass das quantenmechanische Einzelereignis nicht beschreibbar ist“, weil es „etwas qualitativ vollkommen Neues“ bedeutet. Weder die Formeln der Mathematik noch die Wortsprache vermögen es, die beobachteten Phänomene vollständig zu beschreiben oder zu erklären – möglicherweise aber auch nur deshalb, weil die menschlichen Erkenntnismöglichkeiten (noch) nicht ausreichen, um die Komplexität der Vorgänge zu erfassen.

Für den Nobelpreisträger ist es die Tonkunst, welche die Möglichkeit hat, Unbeschreibbares zu beinhalten. Er sieht das besonders in spiritueller Musik ins Werk gesetzt, oder wie er auch sagt: in der „Mystik“ solcher Werke, von denen er für den Abend im März eine sehr persönliche Auswahl an Werken getroffen hat, die ihm etwas Besonderes bedeuten: Johann Sebastian Bachs berühmte Toccata und Fuge in d-Moll, zwei Motetten von Anton Bruckner, Franz Schuberts „Deutsche Messe“, Olivier Messiaens „Apparition de l’église éternelle“, Arvo Pärts „Da pacem Domine“ und die „Mauthausen-Kantate“ von Mikis Theodorakis nach Texten des griechischen Dichters Iakovos Kambanellis, eines Überlebenden des Konzentrationslagers Mauthausen. Hier wird das Unsagbare in einem anderen Sinne, nämlich das unausdrückbare Grauen, durch die Kraft der Musik gebannt – ein Werk, dem sich Anton Zeilinger auch durch das Erlebnis einer Live-Aufführung nahe fühlt.
Daneben wird der Physiker an diesem Abend über zentrale Erkenntnisse seiner Forschungen aus dem Bereich der Quantenphysik – und über mögliche Grenzen der wissenschaftlichen Erforschung der Welt – sprechen, um diese Reflexionen in einen Dialog mit der aufgeführten Musik treten zu lassen.

Sonntag, 9. März 2025

Anton Zeilinger | Vortrag
Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
Johannes Prinz | Leitung
Robert Kovács | Orgel

Anton Zeilinger:
Das Unbeschreibbare beschreiben. Reflexionen über Quantenphysik

Werke von Johann Sebastian Bach, Anton Bruckner, Mikis Theodorakis, Olivier Messiaen, Franz Schubert und Arvo Pärt

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