Menü

Musikfreunde

Das Online Magazin

Mai 2, 2023

Sinnlicher Sound und klare Gedanken

Thomas Adès und sein Klavierkonzert

Schon einmal, im Dezember des Corona-Jahres 2020, stand die österreichische Erstaufführung von Thomas Adès’ Klavierkonzert mit dem ORF RSO Wien und Kirill Gerstein am Soloinstrument im Musikvereinsprogramm. Am 5. Juni kann die Aufführung nun stattfinden. Der Komponist persönlich dirigiert und bringt noch zwei weitere eigene Werke sowie Musik von Britten und Janáček mit.

Ein faszinierendes Amalgam heterogener Klänge: So könnte man die Musik von Thomas Adès umschreiben. Geprägt von der englischen Musik von Purcell bis Britten und bestens vertraut mit der Musikgeschichte von der Renaissance bis zur Moderne des 20. Jahrhunderts, atmen seine Kompositionen eine Vielfalt von Einflüssen und sind dabei äußerst durchlässig gegenüber populären Ausdrucksformen wie Blues und Jazz. Geboren 1971 in London, machte er nach seinen Studien am King’s College in Cambridge – sowohl Klavier als auch Komposition – eine Bilderbuchkarriere: ein Wettbewerbserfolg als Pianist bei den Young Musicians of the Year der BBC, ein sofort publiziertes Opus 1 (Vertonungen von Gedichten von T. S. Eliot). Rasch etablierte er sich – auch als Dirigent eigener Werke – im britischen wie im internationalen Musikleben, und schon mit 26 Jahren erhielt er das Angebot, Benjamin-Britten-Professor an der Royal Academy of Music in London zu werden. Besonders seine Musiktheaterwerke machten ihn zum Überflieger: zunächst die Kammeroper „Powder Her Face“ (1995), die gleich anschließend auf etlichen Opernbühnen gezeigt wurde, dann „The Tempest“ (2003), die eine ähnliche Erfolgsgeschichte und nach zwölf Jahren auch eine Aufführung an der Wiener Staatsoper erlebte.

„Tradition bedeutet für mich Nachdenken“, äußerte Adès einmal. Das englische Wort „reflect“ mit dem Bedeutungsumfang „spiegeln“, „abbilden“ und „bedenken“ scheint hier das Gemeinte genauer zu umreißen, geht es doch um so vielfältige Beziehungen zu den bereits vorhandenen Ausdrucksmitteln, die stets aktiv aktualisiert werden müssen – ein Vorgang, der bei Adès zugleich sehr lebendig wie intakt erscheint.

Es ist geradezu entwaffnend ehrlich, wenn er seine eigene Musik als durch „Melodie, Harmonie, Rhythmus“ geprägt beschreibt – das klingt ebenso frech wie schüchtern, bescheiden wie radikal, aufs Ganze gehend, aufs Wesentliche reduziert, halb ironisch und dennoch völlig ernst. Dass er weiters angibt, seine musikalischen Ideen und Ideale aus der „Natur“ zu beziehen, fügt sich in seine demonstrativ selbstverständliche Verankerung in einer als intakt erlebten Tradition ein.

Adès hat sich seit seiner Studienzeit intensiv mit der
Erweiterung der Möglichkeiten seines  Instruments auseinandergesetzt. Sein Klavierkonzert ist voller Anspielungen und Verweise. Das beginnt schon bei den Bezeichnungen der drei Sätze. Verweist das „Allegramente“ des ersten Satzes auf das Klavierkonzert von Maurice Ravel, so scheint der mit „Andante gravemente“ überschrie­bene langsame Satz eine barocke Tempoangabe zu zitieren, während der dritte, „Allegro gioioso“, auf einen Teil der Bezeichnung von Felix Mendelssohn Bartholdys „Serenade und Allegro giocoso“ op. 43 für Klavier und Orchester anspielt.

Adès’ hochvirtuoses Konzert verbindet wie immer bei ihm große Deutlichkeit und Wiedererkennbarkeit der musikalischen Gedanken mit unbändiger Lust an einem sinnlichen Sound, der sich besonders durch große Buntheit des Schlagzeugs entfaltet. Ihre Kombination mit dem Klavierklang führt zu einer Erweiterung der Klangfarben – einem Hörvergnügen voller Effekte und mit Erfolgsgarantie.

Selbst wenn das Konzert bislang nicht allen Rezensenten restlos gefiel, blieb die Anerkennung nicht aus, als etwa Klaus Kalchschmid in der „Süddeutschen Zeitung“ im Februar 2020 meinte, das Werk sei „handwerklich perfekt und enorm wirkungssicher komponiert“. Zugleich stellte der Kritiker auch Fragen, die für ihn offenblieben: „Aber macht sich Adès im ersten Satz über Leonard Bernstein lustig oder greift er in dessen tänzerische Trickkiste? Ist der stolze, auf Effekt schielende Schluss ein Seitenhieb auf Liszt oder spottet er über dessen Virtuosität? … Eines jedenfalls wird dieses selbstbewusste, jazzige ,Concerto‘ nie sein: ein Abonnenten-Schreck.“

Daniel Ender

#artikel

Mai 2, 2023

„Jeder Mensch muss das Seine auf ehrliche Weise tun!“

Elisabeth Leonskaja

#artikel

Mai 2, 2023

Für immer jung

Die Wiener Sängerknaben jubilieren

#artikel

Mai 2, 2023

„Dieser göttliche Dämon …“

Gustav Mahlers Mitwelt und Nachwelt

#video

Mai 8, 2023

Georg Friedrich Haas über Begegnung mit der Musik Anton Bruckners

#artikel

Mai 9, 2023

Der Grundton im Akkord

Sabine Devieilhe

#artikel

Mai 8, 2023

Inspiriert von der eigenen Geschichte

Stephan Pauly im Interview

#artikel

April 12, 2023

Die Absolute

Anne-Sophie Mutter

#video

Mai 8, 2023

Igor Levit spricht über Klavierwerke von Johannes Brahms

#artikel

Mai 2, 2023

Zart und hart

Vilde Frang

#artikel

Mai 2, 2023

Sinnlicher Sound und klare Gedanken

Thomas Adès und sein Klavierkonzert

#artikel

Mai 2, 2023

Paris tanzt!

Die rauschende Revolution der „Ballets Russes“

#video

Mai 11, 2023

Fokus: Karina Canellakis – Musikverein Wien 2023/24

#artikel

Mai 2, 2023

Zwei auf neuem Weg

Beethoven und Lang Lang

#video

Mai 8, 2023

Fokus: Santtu-Matias Rouvali