Die Musik im Blut und Wien im Herzen: Mitsuko Uchida ist Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien

© Dieter Nagl
Mit Mitsuko Uchida ließ die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien der Grande Dame unter den Pianist:innen die höchste Auszeichnung zuteil werden, die sie zu vergeben hat: die Ehrenmitgliedschaft.

Von Ulrike Lampert

10.03.2025

Mitsuko Uchida und Wien, das ist eine ganz besondere Verbindung – eine, die von Beginn weg stets auch eng mit dem Musikverein verknüpft war. Als Mitsuko Uchida zwölf Jahre alt war, wurde ihr Vater zum japanischen Botschafter in Österreich bestellt – sie kam als „ganz normales japanisches Mädchen“ nach Wien. „Ich hatte bis dahin nur zwei Klavierabende gehört, die mir aber nicht gefallen haben, und eine Oper: ,Aida‘ beim ersten Gastspiel der italienischen Oper in Japan“, erzählt sie. „Das war so ziemlich die einzige Musik, die ich kannte.“ Umso mehr erschloss sich ihr dann in Wien. Bereits nach einer Woche war sie außerordentliche Studentin von Richard Hauser an der Musikakademie, und ihr Vater nahm sie zum ersten von vielen Malen mit in die Oper. Sie erlebte etwa „Carmen“ und „La Bohème“ unter Herbert von Karajan und horchte in einem Liederabend im Musikverein mit Schuberts „Winterreise“ staunend auf, als „Am Brunnen vor dem Tore“ erklang, das ihr aus Japan wohlvertraut war, von dem sie aber nicht gewusst hatte, was es sei.

Besonders dem Gesang gehörte Mitsuko Uchidas kindliche Aufmerksamkeit als Zuhörerin, deutlich mehr als dem Klavier. Von sich selbst dachte sie: „Ich bin halt nicht begabt“ – bis sie einen Schubert-Klavierabend von Wilhelm Kempff hörte: „Ich war 16 Jahre alt, und das war ein Moment in meinem Leben, wo ich wusste: Wenn Klavierspiel so klingen kann, möchte ich am Ende vielleicht doch Pianistin werden.“ In dieser Zeit wurde Mitsuko Uchidas Vater nach Köln versetzt – sie aber blieb in Wien, zog ins Studentenheim am Rennweg und verbrachte die Tage (und Nächte) vornehmlich mit Üben im Keller. Vier Jahre später gewann sie den Internationalen Beethoven-Wettbewerb in Wien.
So wurde Wien zur Keimzelle ihrer Karriere. Auftrittspraxis hatte sie bereits ab dem Alter von 14 Jahren im Musikverein gesammelt, zunächst in Klassenabenden der Akademie, bald mit dem Musikvereinsquartett im Brahms-Saal und 1964 erstmals im Großen Musikvereinssaal – als Solistin in Mozarts Klavierkonzert KV 467 mit dem Orchesterverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
Mitsuko Uchida hat sich abseits des Standardrepertoires stets auch Neuem zugewandt und sich nicht zuletzt um Werke der Zweiten Wiener Schule verdient gemacht. Zu ihrer Wiener Zeit, erinnerte sie sich einmal, war der Name Schönberg ein „Schimpfwort“. Sie selbst ist fasziniert von Schönbergs Konsequenz und Beharrlichkeit, in der er am eingeschlagenen Weg festhielt.

© Decca / Justin Pumfrey

Der Große Musikvereinssaal ist für Mitsuko Uchida neben der Carnegie Hall New York und dem Concertgebouw Amsterdam einer ihrer drei deklarierten „Wunder-Konzertsäle“. Dass sie ihn völlig unbedarft kennenlernen durfte, empfindet sie als „das Glück meines Lebens“. Sie hat hier alle Schubert-Sonaten aufgenommen und schrieb die herausragende Klangqualität zunächst dem Flügel zu. „Aber das war’s nicht: Das war der Saal!“
Oft und oft hat Mitsuko Uchida das Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde aufgesucht und sich eingehend mit Autographen beschäftigt, auch mit jenem der „Davidsbündlertänze“ von Robert Schumann, das mit dem Nachlass von Johannes Brahms ins Haus gelangte. „Man sieht darin, was Schumann alles gemacht und geändert hat. Es ist ein sehr kompliziertes und eines seiner schönsten Stücke.“ Durch eine großzügige Zuwendung trug sie wesentlich dazu bei, dass ein Faksimile davon herausgegeben werden konnte.

Umgekehrt fühlt sich die Pianistin aber auch selbst von Wien reich beschenkt – etwa durch die Möglichkeit, die sich ihr vor einigen Jahren im Kunsthistorischen Museum bot, wo ihr über mehrere Tage hinweg historische Tasteninstrumente zur Verfügung standen. Sie bedankte sich mit einem Konzert zugunsten der kostbaren Instrumentensammlung. Unter ihren eigenen Instrumenten finden sich auch historische, unter anderem eine originalgetreue Kopie des Reise-Clavichords von Mozart.

Ihre internationalen Konzertreisen führen Mitsuko Uchida freilich auch regelmäßig zurück nach Wien, das sie 1972 in Richtung London verlassen hatte, wo sie seither ihren festen Wohnsitz hat und längst den ehrenvollen Titel Dame Commander of the Order of the British Empire trägt. Das Wien ihrer Studientage abseits des Übens und vieler Konzert- und Opernbesuche umreißt sie so: „Ich kannte den Ring, die Umgebung um den Türkenschanzpark, wo ich mit meiner Familie wohnte und wo ich spazieren gegangen bin, und ich habe Maroni gegessen – Maroni aus den Papiertüten: Ich liebe das! Und dann war ich am Rennweg im Studentenheim. Den Weg von dort zur Akademie kenne ich gut“, sagt sie lachend. Sehr gerne aber würde sie wieder einmal Schuberts Sterbehaus in der Kettenbrückengasse besuchen, diesen „so berührenden Ort“, und am Graben bei der „Schwäbischen Jungfrau“ vorbeischauen, wo einst ihre Mutter einkaufte und von wo sie sich eine Bettdecke nach London schicken ließ. „Und ich weiß genau, wo ich Maroni kaufen möchte“, sagt sie, „die mit Schokoladeüberzug. Die kriegt man nur im Winter.“

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