Lebenszyklen und Träumereien: Clara Frühstück und ihr Trio steuern zwei Projekte zu „Claras Blumenalbum“ bei

© Julia Wesely
An einem grauen Montagmorgen schweift Clara Frühstücks Blick aus dem Fenster eines Innenstadtcafés. Die Pianistin, Komponistin und Performerin spricht über die schnelllebige Gegenwart und moniert, dass kaum mehr Zeit zum Sinnieren bleibe. Es folgen zwei Stunden, in denen eben doch sinniert wird: Über die Komplexität der Liebe, das Ritualisieren von Träumen und die Lebensrealität von Müttern auf der Bühne.

Von Sandro Nicolussi

01.04.2025

Clara Frühstück liebt Blumen. Erst kurz vor dem Jahreswechsel hat sie auf dem Balkon Tulpenzwiebeln gepflanzt, und auch Schnittblumen schmücken stets ihr Zuhause. Es ist eine von mehreren Parallelen, die sie mit ihrer Namensvetterin Clara Wieck – später: Clara Schumann – verbindet. An zwei Abenden im April gastiert das seit fünfzehn Jahren bestehende Trio Frühstück (Clara Frühstück am Klavier, Maria Sawerthal an der Violine, Sophie Abraham am Violoncello) im Rahmen des Festivals „Claras Blumenalbum“ im Musikverein.

Den ersten Teil bildet das Lesungskonzert „The rise and fall of a wildflower“, bei dem das Trio im Quartett mit der Schauspielerin Patricia Aulitzky auftritt. Dabei werden verschiedene zyklische Größen des Lebens beleuchtet. Was passiert im Laufe eines Tages, was passiert von der Geburt bis zum Tod? Frühstück und Aulitzky lernten sich 2023 kennen, als sie die Bühne für Heimrad Bäckers „nachschrift“ teilten. Dadurch wuchsen sie zusammen, um die Verbindung von Sprache und Musik weiter zu vertiefen: „Lesung und Konzert sollen nicht nebeneinanderstehen, sondern ineinander verwoben sein, sich halten und nähren.“ Ein weiteres Thema des Abends ist die Vereinbarung des Mutterseins mit dem Leben als Künstlerin. Alle vier Frauen haben Kinder. Dies könne eine Zäsur darstellen: „Man blüht künstlerisch auf, und plötzlich wird man Mutter. Das kann auch Angst machen, weil man aufgrund gesellschaftlicher Normen glaubt, dass es mit der Musik dann vorbei sein könnte. Das verleiht dem Abend implizit eine politische Komponente.“ Ebenso wird auch die gesellschaftliche Norm thematisiert, die es Frauen vorgibt, Kinder zu kriegen: „Es dreht sich auch um die Frau, die sich bewusst gegen Kinder entscheidet – was ebenfalls legitim ist.“

Frühstück denkt darüber nach, wie das wohl im Leben von Clara Schumann gewesen sein muss. Clara und Robert Schumann hatten acht Kinder, die von Ammen versorgt wurden. Dazu kam eine Fehlgeburt. Im Laufe ihres Lebens erlebte Clara Schumann den Tod von vier ihrer Kinder. Frühstück weiter: „Man wird auch heutzutage nicht immer nur bewundert, wenn man als Mutter gleich wieder arbeitet und auf die Bühne zurückkehrt.“
Zentrales Stück des Konzerts ist die zweite Fassung des Klaviertrios Nr. 1 H-Dur, op. 8, von Johannes Brahms, dessen Freundschaft mit Clara Schumann sich merklich in seinem Schaffen niederschlug. „Die erste Fassung wäre interessant zu spielen gewesen, weil sie zu jener Zeit entstand, als Brahms gerade in das Leben der Schumanns eingetreten war. Die zweite, heutzutage viel bekanntere Fassung ist aber musikalisch logischer. Vermutlich, weil in der Zwischenzeit ein großer Teil von Brahms’ Leben in die Überarbeitung hineinwirkte“, so Frühstück. Zusätzlich auf dem Programm stehen ausgewählte Werke von Marlene Streeruwitz, Judit Varga, Betty Paoli, Robert Schumann, Alice Oswald, Rebecca Solnit sowie eine Uraufführung von Katharina Roth: „Das Stück von Judit Varga trägt den Titel „Blumenstück“. Sie hat es 2020 für das Trio Frühstück komponiert, und es fängt so lieblich an wie ein Schumann, wird dann aber richtig düster und schwer.

© Julia Wesely

Wenn man zum Trio Frühstück kommt, dann darf und wird es einem auch einmal nahegehen. Es kann auch mal schmerzhaft werden. Ich sehe es als meine Aufgabe, das Publikum auch zu fordern. Es muss nicht immer nur Wellness für die Ohren sein. Disteln und zarte Blümchen ergänzen sich doch auch wunderbar in einem Blumenstrauß.“
Eine Ausflucht aus der Realität, ein kurzer Tagtraum darf ein Konzert allerdings schon sein: „Zur Geburt meiner Tochter bekam ich ein Journal, in dem man in kurzen Absätzen festhält, wofür man an diesem Tag dankbar war. Drei Jahre lang habe ich das verfolgt, bis ich mir nicht mehr sicher war, was ich aufschreiben soll“, erinnert sich Clara Frühstück. Sie möchte wieder zu einem entschleunigenden Ritual finden, auf das sie zurückblicken kann. Kurze Notizen zum Tag, ein Traumjournal, festgehalten auf Papier oder ins Handy getippt. Worte seien dafür aber oft zu einengend und ließen nicht den notwendigen Interpretationsspielraum. Derzeit sind es für sie die Momente auf der Bühne, in denen sie bei sich ist, in ihr Inneres schauen und abschalten kann. Damit referenziert Frühstück auf das zweite Projekt im Rahmen von „Claras Blumenalbum“.

„Ich sehe es als meine Aufgabe, das Publikum auch zu fordern. Es muss nicht immer nur Wellness für die Ohren sein. Disteln und zarte Blümchen ergänzen sich doch auch wunderbar in einem Blumenstrauß.“

Clara Frühstück

Nach der Idee von Anna Doogue erzählt das Musiktheaterstück „Träumerei“ für junges Publikum ab sechs Jahren die Geschichte von den Sandmenschen, die die Träume bringen. Diese stoßen eines Nachts auf Clara Wieck (später Schumann) und Robert Schumann, die kurz davor sind, eine wichtige Melodie zu finden und daher nicht mehr schlafen können. Die Sandmenschen versuchen ihnen zu helfen und finden im Berg der Träume das fehlende Stück Melodie. Clara und Robert hatten es bereits im Kopf, es war nur verschüttet unter Alltagsgedanken und Ablenkungen. Zwischen Machen und Denken müssen die Menschen eben manchmal auch träumen, um das Leben der anderen ein Stück weit schöner zu machen.

„Träumerei“ stellt dabei Robert Schumanns „Kinderszenen“ musikalisch ins Zentrum. Schumann komponierte sie in der Hoffnung, Clara Wieck bald heiraten zu können. Weil sie Robert als so kindlich bezeichnete, komponierte er ihr diese Sammlung aus dreizehn juvenilen Klavierstücken innerhalb weniger Tage. Das Trio Frühstück spielt dabei, begleitet durch Shabnam Chamani (Schauspiel), Simon Dietersdorfer (Schauspiel) und Martina Rösler (Tanz), sowohl Originalpassagen als auch Neuinterpretationen: „Im Laufe des Prozesses wurden aus den reinen Klavierstücken bunte Kompositionen, denen Geige und Cello neue Farben hinzufügen. Auch der Text ist wesentlich in die Interpretation eingeflossen.“ Das Trio Frühstück profitiert dabei nach fünfzehnjährigem Bestehen von einer eingespielten Arbeitsweise. Die Mitglieder ziehen Inspiration aus individuellen Projekten, tragen sie in das Trio und haben eine so feine gemeinsame Sprache entwickelt, dass organische Neudeutungen entstehen. So begaben sie sich auf die Suche nach den Feinheiten in Schumanns Werk, um ihm neues, bewegendes Leben einzuhauchen: „Im Zentrum stand die Frage danach, wie zeitgemäß diese Musik heute noch ist. Ich bediene mich an der Klassik und mache daraus etwas Neues. Etwas, das diese kindliche Leichtigkeit stellenweise auch bewusst umkehrt – mehr zu unserer Zeit passend.“

Donnerstag, 3. April 2025

Patricia Aulitzky | Lesung
Trio Frühstück

The rise and fall of a wildflower

Werke von Johannes Brahms, Marlene Streeruwitz, Judit Varga, Betty Paoli, Robert Schumann, Alice Oswald, Rebecca Solnit und eine Uraufführung von Katharina Roth

Samstag, 5. April 2025
Sonntag, 6. April 2025

Trio Frühstück
Shabnam Chamani | Schauspiel
Simon Dietersdorfer | Schauspiel
Martina Rösler | Tanz
Nina Ball | Ausstattung
Michèle Rohrbach | Outside Eye und Stückentwicklung
Anita Buchart | Text und Stückentwicklung
Michèle Tacke | Regieassistenz
Anna Doogue | Idee und Text

Träumerei
Neuproduktion Musikverein Wien
Konzert für Publikum ab 6 Jahren

Robert Schumann
Kinderszenen, op. 15
(Im Original für Klavier und als musikalische Neudeutung des Trio Frühstück)

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