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Für immer jung
Die Wiener Sängerknaben jubilieren
Auf 525 stolze Jahre kann der berühmte Wiener Knabenchor blicken – und hat sich hinter der Traditionsfassade zur zeitgemäßen Ausbildungsinstitution entwickelt. Ihr Festkonzert zum Jubiläum geben die Wiener Sängerknaben bei der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
Auf 525 stolze Jahre kann der berühmte Wiener Knabenchor blicken – und hat sich hinter der Traditionsfassade zur zeitgemäßen Ausbildungsinstitution entwickelt. Ihr Festkonzert zum Jubiläum geben die Wiener Sängerknaben bei der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
Als ihre Geburtsstunde gilt 1498, als der spätere Kaiser Maximilian I. Hof und Hofmusik aus seinen Residenzen in Wien zusammenzog. Nach dem Untergang des Habsburgerreiches ging es in den 1920er Jahren als privater Verein weiter. Seit 1926 sorgten 2.701 junge Chorsänger auf rund 1.000 Tourneen in 100 verschiedenen Ländern für den internationalen Ruf des Chores – einen Ruf, dem auch die Pandemie nichts anhaben konnte. Selbst wenn sie „einen effektiven Stillstand von mehr als zweieinhalb Jahren bedeutete“, wie Sängerknaben-Präsident Erich Arthold erzählt: „Wir setzen sehr auf Tradition. Aber natürlich arbeiten wir mit Kindern und Jugendlichen, daher muss man sich ohnehin nach vorne orientieren. Das Jubiläum ist Anlass nachzudenken, wie wir uns positionieren und definieren wollen.“
Auch ist ihr Repertoire enorm breit, so Arthold: „Es reicht quer durch die Jahrhunderte, Stile und Regionen, von Musical, Oper, Walzer, Pop, Filmmusik, Weltmusik, Neuer Musik bis Volksmusik. Das ist auch unser Markenzeichen.“ Und Tina Breckwoldt, für Dramaturgie, PR, Archiv, Recherche zuständig, weiß: „Unsere erste Weltmusik-Aufnahme stammt aus 1931, ein sogenanntes ,Indianerlied‘. Auf ihren Tourneen haben die Sängerknaben immer auch lokale Musik gesungen. Dadurch ist ein großer Fundus entstanden.“ Diese Tourneen sind bis heute elementar. Es gibt vier Konzertchöre, in denen aktuell 90 Knaben zwischen zehn und vierzehn Jahren singen. Ihr Schuljahr ist in Trimestern getaktet, eines davon gehen sie auf Reisen. Zu Hause haben sie einen dichten Tagesablauf, leben daher im Internat. Sechs Mal in der Woche wird von 11 bis 13 Uhr geprobt. In der Freizeit ist dann Fußball der Hit, auf dem Schulcampus rund ums Palais im Augarten.
Hier finden sich längst nicht nur die Sängerknaben, denn so Erich Arthold: „Wir setzen, wie in den letzten Jahren entwickelt, in Zukunft auf eine durchgehende Ausbildung von sechs bis achtzehn Jahren. Wobei wir die eine noch verbliebene Lücke, die Mädchen in der Unterstufe, schließen wollen. Viel zu wenige wissen, dass hinter den Sängerknaben eine große Ausbildungsinstitution steckt.“ Dazu gehören die gemischte Volksschule mit zehn Stunden Musik in der Woche und das Oberstufenrealgymnasium. Längst singen aber nicht mehr nur die Buben zwischen zehn und vierzehn. So hatten die „Wiener Chormädchen“ beim Neujahrskonzert ihr großes Debüt. Sie kommen derzeit noch als Externe zu Proben in den
Augarten und sollen in den nächsten Jahren auch dort zur Schule gehen können. Dass die beiden Kinderchöre geschlechtlich getrennt bleiben, hat vor allem physiologische Gründe, so Arthold: „In diesem Alter ist die Stimmentwicklung ganz unterschiedlich, der ,Stimmbruch‘ setzt bei Mädchen früher ein und ist weniger deutlich merkbar. Daher wollen wir eine zweite Marke schaffen, damit auch die Mädchen ihr eigenes Profil und Repertoire entwickeln können, um zu zeigen, was man mit unserer Tradition und Expertise mit der weiblichen Stimme erreichen kann.“ Gemischt wird davor, in der Volksschule, im „Chorus Primus“ gesungen und danach, in der Oberstufe, im „Chorus Juventus“.
Die Kosten für die Eltern versucht der gemeinnützige Verein niedrig zu halten: „Es geht um das Talent. Das Schulgeld soll kein Numerus clausus sein“, so Arthold. Dazu ist es Tradition, Flüchtlingskinder kostenlos aufzunehmen, so wie aktuell Kinder aus der Ukraine. Denn Integration wird im Augarten vorgelebt. „Derzeit haben wir Kinder und Jugendliche mit zwanzig verschiedenen Nationalitäten. In dem Alter entwickeln sie eine selbstverständliche Form von Toleranz für andere Kulturen und Religionen. Wir betrachten uns daher auch als Vorzeigemodell für Integration, Toleranz, Weltoffenheit. Das Schmiermittel dazu ist der gemeinsame Gesang.“ Beim festlichen Jubiläumskonzert im Musikverein wird sich die Buntheit voll entfalten können – selbstverständlich sind auch die Wiener Chormädchen mit von der Partie.
Stefan Musil