Eine Stadt in Erwartung: Klaus Mäkeläs Ankommen in Amsterdam

© Marco Borggreve
Obwohl er erst 2027 sein Amt als Chefdirigent des Royal Concertgebouw Orchestra antritt, ist Klaus Mäkelä in Amsterdam bereits allgegenwärtig. Was sind die Erwartungen an den neuen Mann an der Spitze des holländischen Traditionsorchesters? Anlässlich der bevorstehenden Konzerte im Musikverein hat sich die Amsterdamer Musikkritikerin Frederike Berntsen in der Stadt und im Orchester umgehört.

Von Frederike Berntsen

25.03.2025

„Der Enthusiasmus, den Klaus Mäkelä in sein Musizieren legt, begeistert mich außerordentlich“, sagt Thijs Pellikaan, ein treuer Besucher des Royal Concertgebouw Orchestra (RCO) in Amsterdam. „Als Zuhörer wird man von dem Charisma dieses Dirigenten regelrecht mitgerissen. Ich bin überzeugt, dass er die Spielfreude im Orchester enorm steigern wird.“
Klaus Mäkelä genießt weltweit große Anerkennung. Aktuell ist er Chefdirigent in Oslo und Paris, ab 2027 übernimmt er die Leitung des Concertgebouw Orchestra sowie des Chicago Symphony Orchestra. Bis zu seinem offiziellen Amtsantritt als Chefdirigent des Concertgebouw Orchestra verbringt Klaus Mäkelä rund zehn Wochen pro Jahr in Amsterdam. Ab 2027 wird Mäkelä als Chefdirigent zwölf Wochen jährlich vor Ort sein, doch schon jetzt prägt er das künstlerische Profil des Orchesters nachhaltig. Die Zusammenarbeit wirkt bereits eingespielt und vertraut.

Ein herausragender Dirigent zeichnet sich heute nicht nur durch Talent und musikalische Brillanz aus, sondern auch durch exzellente Kommunikationsfähigkeiten. Klaus Mäkelä vereint all diese Eigenschaften auf natürliche Weise. Seit 2018 war das Concertgebouw Orchestra auf der Suche nach einem neuen Chefdirigenten. 2020 gab Klaus Mäkelä sein Debüt beim Orchester, der Schüler des berühmten finnischen Pädagogen Jorma Panula war damals erst 24 Jahre alt. Kurze Zeit später wurde bekannt gegeben, dass er ab 2027 Chefdirigent werden würde, der achte in der Geschichte des Orchesters.
Fast alle großen Orchester halten eine feste Beziehung zu einem Dirigenten oder einer Dirigentin für unerlässlich. Aber was bedeutet es für ein Orchester, für den Orchesterklang, wenn es eine Zeit lang keinen Chef hat? „Manche Dirigenten prägen den Orchesterklang mehr als andere“, sagt Gregor Horsch, Erster Solocellist des RCO. „Mariss Jansons hat gerne an der rhythmischen Präzision gearbeitet, Daniele Gatti wollte viele Details aus dem Orchester herausholen. Typisch für das Concertgebouw Orchestra ist, dass wir mehr als einen Klangtyp haben, wir können unter verschiedenen Dirigenten sehr unterschiedlich klingen. Ein Chefdirigent stellt sicher, dass der Klang des Orchesters einheitlich bleibt und nicht auseinanderdriftet.“ Posaunist Jörgen van Rijen bestätigt, dass das Orchester einen äußerst vielseitigen Klang besitzt: „Wir bewegen uns mühelos zwischen französischer, deutscher und russischer Musik. Unser Orchester spiegelt die Gesellschaft wider. Amsterdam ist eine tolerante, unabhängige Stadt mit wenig ausgeprägten Hierarchien – das hört man auch in unserer Musik.“
Das Royal Concertgebouw Orchestra nimmt eine zentrale Rolle im kulturellen Leben dieser offenen Stadt ein. Es ist nicht nur ein Weltklasse-Ensemble für klassische Musik, sondern auch ein wichtiger Partner der Nationaloper. Mit etwa achtzig Konzerten pro Jahr im Concertgebouw und weiteren dreißig Auftritten im Ausland ist es ein idealer Botschafter für Amsterdam und die niederländische Musikkultur. Die Musiker des demokratisch organisierten RCO wählen ihren Chefdirigenten selbst.

„Unser Orchester spiegelt die Gesellschaft wider. Amsterdam ist eine toleratnte, unabhängige Stadt mit wenig ausgeprägten Hierarchien – das hört man auch in unserer Musik.“

© Eduardus Lee

Auch Klaus Mäkelä wurde durch die Musiker mit überwältigender Mehrheit gewählt – ein Votum, das sofort ein Gefühl der Einheit schafft. Was hat sich das Orchester gewünscht? Van Rijen, auch Vorsitzender des künstlerischen Beirats, erklärt, dass es kein festgelegtes Profil für den neuen Chefdirigenten gab. Man ließ sich von Offenheit leiten, ohne enge Vorgaben. „Klaus’ außergewöhnliche Qualitäten als Musiker und Mensch waren sofort spürbar. Ihn nicht zu wählen wäre eine verpasste Chance gewesen.“
In Amsterdam steht Klaus Mäkelä einem Orchester vor, das aus Musiker:innen verschiedener Nationalitäten und musikalischer Prägungen besteht. Solocellist Horsch betont: „Das kann mitunter eine Herausforderung sein. Aber Klaus verfügt über natürliche Führungsqualitäten, begeistert die Musiker, kommuniziert hervorragend und schenkt jedem Einzelnen Aufmerksamkeit: Man spürt, dass er einen sieht.“ Klaus Mäkelä, ebenfalls ein ausgebildeter Cellist, dirigiert überzeugend und ohne Druck, ermutigt das Orchester zu dem, was musikalisch gefordert ist. Das strahlt Zuversicht und Selbstvertrauen auf die Musiker aus. Horsch: „Wir spielen manchmal Kammermusik mit ihm, und dann merkt man: Es geht ihm gar nicht um Führung, er fügt sich ein. Dirigieren ist ein Austausch zwischen dem Dirigenten und dem Orchester: Wann erzwingt man etwas, und wann lässt man es los?“
Mit Mäkelä, der sowohl Alte als auch Neue Musik aufführt, wird auch ein Wechsel in der Programmgestaltung vollzogen. Die Standardformel – Ouvertüre, Solokonzert, Symphonie – ist nicht die einzige. Weil Mäkelä ein Publikumsmagnet ist, kann das Orchester mit ihm künstlerisch interessante Schritte machen, jenseits der romantischen Visitenkarte. Horsch: „Das Concertgebouw Orchestra will im zeitgenössischen Musikleben stehen, mit lebenden Komponisten arbeiten und nicht nur museal sein.“ Dieser Wunsch steht im Einklang mit anderen gesellschaftlichen Veränderungen. Das RCO wendet sich an ein vielfältigeres und jüngeres Publikum, indem es außerhalb des Concertgebouw auftritt und zu jedem Saisonstart ein kostenloses Open-Air-Konzert gibt. Das Orchester passt seine Tourneepläne an, um mit einem geringeren ökologischen Fußabdruck zu reisen. Als künftiger Chefdirigent ist Klaus Mäkelä an all diesen Entscheidungen beteiligt.

Ab 2027 wird Klaus Mäkelä seine künstlerische Vision gleich an zwei renommierten Standorten entfalten können: in einer Doppelrolle als Chefdirigent des Concertgebouw Orchestra und des Chicago Symphony Orchestra. Diese Art der Doppelfunktion hat beim Concertgebouw Orchestra Tradition. Bereits Willem Mengelberg leitete parallel das New York Philharmonic, und Mariss Jansons kombinierte seine Tätigkeit in Amsterdam mit der Leitung des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks in München. Obwohl Mäkeläs Engagement in Chicago bei einigen Kritik hervorrief, bleibt die Reaktion innerhalb des Concertgebouw Orchestra lakonisch. Für die Musiker steht fest: Diese Doppelposition ist ein Zeichen für Mäkeläs außergewöhnliches Format und seine internationale Strahlkraft.
Eine enge Verbindung zwischen dem Chefdirigenten und dem Orchester sorgt für Kontinuität und hebt das künstlerische Niveau. Programme können mehrfach gespielt, auf Tourneen mitgenommen und durch ständige Verfeinerung weiterentwickelt werden. „Klaus kommt mit einer klaren Vision, er weiß genau, was er erreichen möchte“, sagt Jörgen van Rijen. „Das Besondere ist, dass er gleichzeitig aufnimmt, was das Orchester selbst an Stärken und Traditionen mitbringt. Diese Werte kann er nahtlos in seine eigenen Ideen einfügen.“
Als langjähriger Besucher freut sich Thijs Pellikaan über den neuen Chefdirigenten. Seit seiner Kindheit ist er ein treuer Gast des Orchesters. „Es fühlt sich an wie ein perfektes Rendezvous – ein so talentierter junger Dirigent. Und das Beste: Es liegt noch so viel vor uns. Das ist spannend! Es ist wie bei einem guten Wein: Schon jetzt schmeckt er hervorragend, aber die komplexen, fruchtigen Aromen werden erst mit der Reife kommen. Dieses Erlebnis liegt noch vor uns.“

Sonntag, 30. März 2025
Royal Concertgebouw Orchestra
Klaus Mäkelä | Dirigent
Julian Rachlin | Violine
Seung-Won Oh
Spiri III (ÖEA)
Sofia Gubaidulina
Offertorium. Konzert für Violine und Orchester
Robert Schumann
Symphonie Nr. 4 d-Moll, op. 120

Montag, 31. März 2025
Royal Concertgebouw Orchestra
Klaus Mäkelä | Dirigent
Arnold Schönberg
Verklärte Nacht, op. 4
(Fassung für Orchester)
Gustav Mahler
Symphonie Nr. 1 D-Dur

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