Dem unerhört Neuen auf der Spur: Anton Zeilinger spricht im Brahms-Saal mit Andrea Breth und Christoph Ransmayr

© Jacqueline Godany
In den „Musikverein Perspektiven: Anton Zeilinger“ am 8. Dezember geht es unter dem Motto „Kreativität – Wie kommt das Neue in die Welt?“ darum, wie es Menschen möglich ist, Innovationen in Wissenschaft und Kunst zu schaffen. Gäste im Gespräch mit dem Forscher sind die Regisseurin Andrea Breth und der Autor Christoph Ransmayr.

Von Daniel Ender

17.11.2024

Die Fragen, die der österreichische Nobelpreisträger für Physik in den fünf Veranstaltungen der „Musikverein Perspektiven: Anton Zeilinger“ aufwirft, sind auf vielfältige Weise miteinander verbunden. Standen am ersten Abend im Oktober mit der „Schöpfung“ von Joseph Haydn und „Ylem“ von Karlheinz Stockhausen Werke im Fokus, die sich einerseits an der biblischen Genesis und andererseits an der naturwissenschaftlichen Theorie des Urknalls entzündeten, verschränken sich im zweiten Projekt – einem Gespräch von Zeilinger, Andrea Breth und Christoph Ransmayr mit einer anschließenden Aufführung von Hans Pfitzners „Palestrina“ an der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Christian Thielemann – die Sphären der Wissenschaft und der Kunst. Mit der Fragestellung „Kreativität – Wie kommt das Neue in die Welt?“ wird nach Antworten gesucht, wie es dem einzelnen Individuum in verschiedenen Bereichen möglich ist, Innovationen zu erreichen.

Schon für Immanuel Kant stand es außer Frage, dass in Isaac Newton ebenso ein Genie zu erkennen sei wie in den Dichtern Homer oder Christoph Martin Wieland, auch wenn er das Rationale der Naturwissenschaft sehr wohl vom Unerklärlichen der künstlerischen Kreativität unterschied. Auch Anton Zeilinger zeigt sich vom Umstand fasziniert, dass es Menschen möglich ist, Neues zu erschaffen. „Wenn man als Forscher wirklich Neues sieht und entdeckt, dann erkennt man das sofort“, sagt der Quantenphysiker und berichtet, wie er es selbst plötzlich bemerkte, einer bedeutenden Entdeckung auf der Spur zu sein. Als aufmerksamer Musikhörer steht er aber auch seit seiner Jugend im Bann von Kunstwerken, die ebenso den bisherigen Erfahrungshorizont hinter sich lassen und neue Perspektiven eröffnen. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Frage, ob es möglich ist, die beiden Bereiche Wissenschaft und Kunst bei all ihrer Eigengesetzlichkeit miteinander in Beziehung zu setzen und Analogien aufzuspüren.

Schon in seiner Rede zur Eröffnung des Brucknerfestes 2005 ging Zeilinger solchen Überlegungen nach: „Das wirklich Neue ist also wirklich neu, im Sinne einer Nicht-Herleitbarkeit aus dem Vorhergehenden. Woher kommt es dann? Ist der Vorgang der Entdeckung des wirklich Neuen vielleicht doch kausal zu erklären? (…) Es ist eine wichtige offene Frage, ob die elementaren Abläufe im Gehirn kausal beschreibbar sind oder auch akausal und damit zufällig sein können. Vielleicht könnte man doch erklären, warum [die Physiker, Anm.] Planck, Einstein, Heisenberg und Schrödinger fanden, was sie fanden, warum Haydn [am Beginn seiner „Schöpfung“] den C-Dur-Akkord einsetzte oder den Paukenschlag [in seiner gleichnamigen Symphonie]. Man könnte vielleicht auch erklären, warum Anton Bruckner die Siebte Symphonie mit diesen wunderbar ansteigenden Hörnern beginnen lässt und vieles mehr.“

Anton Zeilinger beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Frage, ob es möglich ist, die beiden Bereiche Wissenschaft und Kunst bei all ihrer Eigengesetzlichkeit miteinander zu vergleichen.

Wenn Anton Zeilinger ins Konzert oder in die Opern geht, genießt er also nicht nur die Musik, sondern geht auch Überlegungen nach, ob die Gehirne von Komponisten vielleicht ähnlich funktionieren wie jene von Wissenschaftlern, ob also die Kreativität in den verschiedenen Gebieten auf ähnliche Weise zu Stande komme. In einem Gespräch mit Stephan Pauly, nachzulesen in der September/Oktober-Ausgabe der „Musikfreunde“, verriet er seine besondere Vorliebe für jenes Werk, das letztlich auch im zweiten Programm der „Perspektiven Zeilinger“ Platz gefunden hat: „Es ist jedenfalls für mich spannend nachzuvollziehen, wie sich Komponist:innen aus dem Feld bisheriger Konventionen und Ästhetiken vorwagen, dieses auch ganz bewusst hinter sich lassen. Viele Namen könnte man da nennen. Im Schönberg-Jahr kommt einem natürlich zunächst die revolutionäre Zwölftontechnik in den Sinn. Aber auch in der früheren Musikgeschichte gibt es viele Beispiele. Eines davon ist Giovanni Pierluigi da Palestrina, der mir durch die Oper von Hans Pfitzner sehr ans Herz gewachsen ist.“

Sonntag, 8. Dezember 2024

15.00 Uhr | Musikverein | Brahms-Saal

Anton Zeilinger
Christoph Ransmayr
Andrea Breth

KREATIVITÄT — WIE KOMMT DAS NEUE IN DIE WELT?

Anton Zeilinger im Gespräch mit Andrea Breth und Christoph Ransmayr

17.30 Uhr | Wiener Staatsoper

Christian Thielemann | Musikalische Leitung

Hans Pfitzner
Palestrina. Eine musikalische Legende in drei Akten

In Kooperation mit der Wiener Staatsoper

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