Das wäre dann wirklich der vollkommene Abschluss einer Regenbogenkarriere mit vollem Bogen von links nach rechts.“ Doch unter den ersten Auftritten in jenen „Fenstern“ der Pandemie, die Aufführungen und Publikum zuließen, waren auch bewusst Lieder zu finden: entweder mit Orchester, wie im Sommer 2020 in Salzburg die „Wesendonck-Lieder“ mit den Wiener Philharmonikern und Christian Thielemann – oder ausgewachsene Liedprogramme mit Malcolm Martineau, ihrem langjährigen Partner am Klavier. Dass ausgerechnet das Musikvereinspublikum durch Pech von Ersatztermin zu Ersatztermin vertröstet werden musste, ist eine Wunde, die sich nun endlich schließen soll, so wie jene des Amfortas im „Parsifal“. Dabei, scherzt Garanča, frage sie sich bei Liederabenden ja immer wieder: „Warum tu ich mir das an? Viel einfacher wäre es, mit einer Handvoll Partien von einer Opernproduktion zur anderen zu fahren, als immer wieder ein neues Liederprogramm einzustudieren.“
Freilich: Die Freude an Herausforderungen bleibt – zumal bei den gängigen Opernpartien dann doch irgendwann Routine und Wiederholung dazukommen, selbst wenn man immer wieder „den Charakter etwas anders positioniert, andere Facetten herausgearbeitet hat“. Das Liedrepertoire jedoch sei „unerschöpflich: Es reicht ein Leben dafür nicht aus, und ich wachse dadurch auch als Künstlerin. Viele Farben, die ich im Opernrepertoire einsetze, kann ich in einer miniaturistischeren Weise auch im Lied einbringen, und umgekehrt nützt die Feinheit und Raffinesse, die man im Lied braucht, auch den Opernrollen.“ Lieder, das sind für Elīna Garanča auch kostbare Kindheitserinnerungen – an ihre Mutter, die ja auch Sängerin war. Musikalisch war ihr also vieles längst vertraut, es waren später „nur noch“ die Worte zu lernen. Dabei ist es bei neuem Repertoire eher umgekehrt für sie: „Der Text muss mich ansprechen, damit fange ich an. Und wenn mich der Text anspricht, dann kommt auch die Melodie.“ Freilich gilt dasselbe wie bei Opernpartien: Alles verändere sich „mit dem, was man im Leben erlebt hat, wie man selber gewachsen ist. Man kann ein Lied nie gleich singen.“ Wie sehr die eigene Biographie und Reife die Interpretation beeinflussen kann, erklärt sie am Beispiel von Schumanns „Frauenliebe und Leben“ und dem lyrischen Ich des Zyklus: „‚An meinem Herzen, an meiner Brust‘ nimmt man ganz anders wahr, wenn man wirklich das eigene Kind in den Arm genommen hat. Wenn sie singt: ‚O wie bedaur’ ich doch den Mann, der Mutterglück nicht fühlen kann‘, dann weiß ich ganz genau, was sie meint.“