Dabei half es dem Arrangeur, keineswegs chronologisch vorzugehen. „Meistens begann ich an einer Stelle, an der ich rasch hörte, dass eine bestimmte Orchesterfarbe stimmig sein könnte. Oder an einem Höhepunkt. Oder ich startete am Ziel und arrangierte danach erst den Weg dorthin.“ So entstand in einem Lied von Nataša Mirković beispielsweise zuerst das Intro, danach das Nachspiel – und erst im Anschluss näherte sich Radanovics den verbindenden Teilen. In einem Lied von Basma Jabr wiederum hatte er das Gefühl, dass ein Orchesterzwischenspiel benötigt würde – und begann just mit diesem. „Oft gehe ich vor wie bei einem Puzzle und suche dann die Verbindung zwischen den einzelnen Stücken“, so Radanovics.
Da die Sängerinnen auch eigene Instrumentalistinnen und Instrumentalisten mitbringen, galt es, diese zu integrieren und ihnen Platz für Improvisationen zu lassen. Dennoch versuche Radanovics, die originale Begleitung nicht einfach zu instrumentieren, sondern sich „von dieser zu lösen und etwas Eigenes zu schaffen“. Sich in die verschiedensten Stile hineinzudenken war für ihn „mal leichter, mal schwieriger. Gerade bei Sakinas Musik habe ich mir viele weitere Beispiele angehört, um mich noch besser einzufühlen.“ So kamen – durch die Sängerinnen ebenso wie durch die Instrumentalisten – „neue musikalische Erfahrungen für mich dazu“, so Radanovics. „Alles, was ich mache, setzt einen großen Vertrauensvorschuss voraus. Einerseits möchte ich den Charakter des Liedes bewahren, andererseits soll das Orchester als solches auch zur Geltung kommen und sollen alle Musizierenden Freude beim Spielen ihrer Parts haben.“
Schließlich hatte er seinen Rohentwurf fertig, den er den Sängerinnen präsentierte. „Ich arbeite mit dem Notations-Computerprogramm Sibelius, das das, was ich schreibe, in Klänge umsetzt, sodass man sich gut vorstellen kann, wie es mit Orchester klingen wird.“ Von diesem „Software“-Orchester hörten die Sängerinnen dann in Radanovics’ Atelier, was er aus ihren Liedern gemacht hatte. „In dieser Phase wäre es natürlich möglich, noch Dinge zu ändern, aber bisher waren die Sängerinnen bis auf einige für sie wichtige Details sehr glücklich mit dem, was ich vorgeschlagen habe – und sie waren oft sehr überrascht, welche zusätzlichen Farben das Orchesterspiel ihren Liedern hinzufügt.“ Besonders berührt habe ihn die Reaktion von Alexia Chrysomalli: „Sie rief begeistert aus, dass es zauberhaft sei, was dazugekommen war. Das hat mich sehr glücklich gemacht.“ Denn schließlich sei das, was er für die Sängerinnen kreiert, „wie ein neues Gewand, das noch ungewohnt ist – in dem man sich aber wohlfühlen soll. Wenn das klappt, ist es für alle sehr beglückend.“
Theresa Steininger
Dr. Theresa Steininger arbeitet als Kulturjournalistin für „Die Presse“.