Das heißt, deine alternative Idee der Förderung ist Ausbildung, Unterricht, Dialog, aber eben auch: Du lädst drei Pianistinnen und Pianisten ein und stellst sie vor und gibst ihnen somit ein Forum.
Es kommen sehr viele Junge zu mir, wo auch immer ich bin, und sie wollen mir etwas vorspielen. Ich sage sehr selten Nein. Wenn ich ein bisschen Zeit habe, höre ich sie mir an. Man muss aber Dutzende oder Hunderte von ihnen anhören, dass man wirklich drei findet, drei pro Jahr, die dann für mein Gefühl interessant sind und etwas zu sagen haben. Es gibt keine Pflichtstücke. Die Klavierliteratur ist groß, und niemand kann – inklusive mir – alles gleich gut spielen. Wir müssen wählerisch sein. Ein Programm ist wie eine Visitenkarte.
Ich freue mich enorm auf den Abend, weil das ja auch ein Zeichen ist: dass in deiner Residenz drei junge Pianistinnen eine Möglichkeit zum Auftritt haben. Vielleicht nochmals in deine Biographie zurückgefragt – ich weiß nicht, ob man das so fragen kann: War es früher einfacher, ein junger Künstler zu sein und seinen Weg zu finden in die Welt der klassischen Musik als Beruf?
Fragen kann man. Ja und nein … Vieles war damals viel schwerer. Für mich persönlich in Ungarn aufzuwachsen, das war wunderbar. Eine bessere musikalische Ausbildung hätte ich nicht haben können. Dann nach Westeuropa zu kommen war irrsinnig schwierig. Das war ein Privileg. Man musste eine Einladung haben, um eine Erlaubnis zu bekommen. Also, das war nicht so wie heute. Es passiert mir sehr oft – und ich bin ziemlich entsetzt darüber: Ich spiele einen Klavierabend in London oder in Wien, und dann kommen so junge Pianisten, klopfen mir auf die Schulter und sagen „und übrigens, hier ist meine neue CD von den Goldberg-Variationen“ … Wir hätten uns das nie getraut. Wenn ich in einem Konzert von Richter oder Rubinstein war – ich hätte nie daran gedacht, in die Nähe zu kommen. Ich hatte auch keine CD. Wir waren viel bescheidener. In diesem Sinne war es damals schwerer. Allerdings ist es für die heutigen auch sehr schwer, weil es sehr viele von ihnen sind. Vorne oder oben ist immer Platz, an die Spitze kann man schon kommen. Aber in der Mitte ist sehr viel Verkehr. Das Problem ist, dass jeder von diesen jungen Instrumentalisten … sie denken, dass sie etwas Besonderes sind. Das müssen aber die anderen von einem denken.
Vielleicht auch hier nochmal vereinfacht gefragt: Was ist dein wichtigster Rat, den du jungen Pianistinnen und Pianisten mit auf den Weg geben kannst?
Also Bescheidenheit ist ein guter Ratschlag. Andererseits: Selbstbewusstsein ist auch wichtig. Wenn du ach so bescheiden bist, dann kannst du niemals auf die Bühne kommen. Ich habe ein gewisses Selbstbewusstsein, aber ich bin auch jetzt noch nervös vor jedem Konzert. Das ist das Jetzt und Hier und Nie-Wieder. Das ist, was zählt – und wir sind keine Maschinen. Aber Bescheidenheit, eine echte, ganz intensive Liebe für die Musik … das klingt selbstverständlich, aber das ist nicht immer da: Das ist kein Beruf, das ist keine Karriere, das ist eine Berufung, sie muss da sein und ein Glücksgefühl, dass wir das machen dürfen … und sehr viel Disziplin. Begabung ist das Wichtigste, aber das genügt alleine nicht.
Vielleicht zum Schluss noch ein Blick auf alle deine Konzerte in deiner Residenz. Sie werden stattfinden im Großen Saal des Musikvereins und im Brahms-Saal. Wie würdest du die beiden Säle beschreiben und wahrnehmen?
Ohne Wien und ohne den Musikverein wäre das Leben eines Musikers sehr armselig. Wien ist sehr privilegiert mit solchen Sälen. Der Goldene Saal ist ein Traum. Da kommt man rein … man versteht das Wunder dieses Saals, wenn das Publikum kommt. Es hat fast keinen Sinn, dort im leeren Saal zu proben, denn „oh, hier ist sehr viel Nachhall“, und dann kommt das Publikum – und plötzlich ist alles perfekt. Der Saal spielt mit. Er ist wie ein Instrument. Das Gleiche im Brahms-Saal. Das ist auch für Kammermusik, für Streichquartett, für Lieder ganz ideal und sehr, sehr atmosphärisch.
Wir freuen uns enorm auf die kommenden Konzerte deines Porträts in der Saison 2021/22! Vielen Dank, dass du diese Konzerte mit uns geplant hast, und vielen Dank für das schöne Gespräch.
Das Gespräch führte Intendant Dr. Stephan Pauly.