Vor zehn Jahren ging das Julia Fischer Quartett erstmals auf Tournee. Im Jahr zuvor waren die vier herausragenden Solisten erstmals zu viert zum gemeinsamen Kammermusizieren zusammengekommen. „Alle drei sind langjährige Freunde von mir und Kollegen, mit denen ich über Jahre hinweg viel gespielt und gearbeitet habe. Und nicht nur ich mit den drei, sondern auch die drei untereinander“, erzählt Julia Fischer. „Als es sich dann 2010 bei meinem Festival am Starnberger See ergeben hat, dass wir miteinander Quartett gespielt haben, haben wir festgestellt: Das passt, das funktioniert.“
„Eine Hauptfrage ist natürlich Geige und Geige“, führt Julia Fischer ins Treffen. Mit Alexander Sitkovetsky, den sie mit elf Jahren beim Menuhin-Wettbewerb kennenlernte, verbindet Julia Fischer das gleiche Geburtsjahr und die musikalische Herkunft aus der russischen Schule. „Alexander war an der Menuhin-Schule, und meine Lehrerin Ana Chumachenco war auch Schülerin von Yehudi Menuhin. Dadurch, glaube ich, können wir im Zusammenspiel gleich auf einem anderen Level starten.“ Mit dem deutschen Bratschisten Nils Mönkemeyer hat Julia Fischer studiert und schon damals viel musiziert – auch ihn, der heute auch ein Kollege als Professor an der Musikhochschule München ist, kennt sie seit rund zwanzig Jahren. „Nils und ich“, sagt Julia Fischer, „das ist eine von diesen Begegnungen, die man nicht oft im Leben hat. Wir sind einfach absolut seelenverwandt. Ob wir zu zweit spielen oder in einer Gruppe von zehn: Wir empfinden immer gleich.“ Und der Schweizer Cellist Benjamin Nyffenegger ist „einer der begeisterungsfähigsten Musiker“, die sie kenne, „wahnsinnig besessen, fleißig, anspruchsvoll, sich selbst, aber auch allen anderen gegenüber. Wenn die Bratsche ein Solo hat, dann hat er das dringende Bedürfnis, alles dafür zu tun, damit die Bratsche noch schöner klingt. Diese Kombination“, sagt Julia Fischer über ihr Streichquartett, „ist das, wovon man träumt.“
Freilich wäre es ein Trugschluss zu denken, bei einem solchen Dream-Team müsste in der Zusammenarbeit immer alles eitel Wonne sein. „Da gab es auch Streitereien, Kämpfe und Geschrei“, hält Julia Fischer lachend fest. „Das haben wir alles gemacht. Es ist ja nicht so, dass wir an jedes Werk mit der gleichen Einstellung herangehen. Ich gehe natürlich in jede Probe, egal ob Quartett oder Duo oder Violinkonzert, erst einmal mit einer sehr gefestigten Meinung, in welcher Interpretation ich dieses Stück spielen möchte. Und das ist bei den anderen genauso, denke ich.“ Da komme dann die persönliche Einstellung, die Haltung ins Spiel, kurz: „der Charakter: Ist man bereit, sich eine andere Meinung anzuhören, sich darauf einzulassen, was ein anderer zu sagen hat? Diesen Diskussionen muss man sich stellen können, man muss auch argumentieren können und bereit sein, über seinen eigenen Schatten zu springen, einen musikalischen Weg einzuschlagen, den man alleine nie gehen würde. Ich glaube, nur wenn man diese Neugierde hat, kann man Quartett spielen.“
Dass alle vier Quartettmitglieder auch als höchst erfolgreiche Solisten tätig sind, kommt ihnen im Ensemblespiel zugute, meint Julia Fischer. „Da haben wir unsere Narrenfreiheit zu tun, was wir wollen. Aber wenn wir uns zum Quartettspielen treffen, ist unser Ziel, als Gruppe das Maximale herauszuholen. In diesen Momenten stellt jeder von uns das Quartett vor sich selbst.“