„Der schönste Klang der Welt“
Mehta, der „Wahlwiener“, wie er immer wieder sagt, kam 1954 zum Studium an die Donau. Über sechzig Jahre sind seitdem vergangen, doch die Liebe zum deutschen Kunstlied und zu Richard Strauss ist geblieben. „Wissen Sie, ich hatte zu Beginn meiner Laufbahn sieben Jahre in Wien, da habe ich alles in mich eingesaugt. Den Stil für Richard Strauss, die Spielart – all das habe ich damals in Wien gelernt. In Bombay hatte ich ja nur Schallplatten.“ Amüsiert erinnert er sich an den Gefühlsaufruhr, der ihn als Student beim ersten Konzertbesuch im Goldenen Saal überkam: „Dieser herrliche Klang! Der schönste Klang der Welt! So etwas hatte ich noch nie zuvor gehört.“ Auch die Orchesterstücke Anton Weberns, entstanden 1909, begleiten ihn seit dieser Zeit. Erstmals habe er sie in den sechziger Jahren dirigiert – „kleine Juwelen“ nennt er sie. „Entstanden sind sie nach dem Tod seiner Mutter“, erzählt Mehta, „und davon tief beeinflusst.“ Ein Hinweis darauf: das vierte Stück, das in der ersten Fassung noch explizit als „Marcia funebre“ überschrieben sei, also als Trauermarsch – eine Bezeichnung, die Webern bei seiner Überarbeitung zwanzig Jahre später tilgte. Eine Musik voller Tragik und tragischer Motive – die tiefen Glocken deutet Mehta als Kirchenglocken –, und dabei zugleich äußerst reduziert: „Alles ist sichtbar, wie unter einem musikalischen Mikroskop. Man muss sich jedem einzelnen Takt ganz genau widmen, muss jeden einzelnen Takt interpretieren, sonst misslingt es in der Gänze.“ Was da gefordert sei: „Ernsthaftigkeit. Und Tiefe.“ Und so endet dieses Gespräch genau so, wie es begonnen hat: ruhig und nachdenklich. Aber vielleicht ist das diesen Zeiten einfach angemessen.
Margot Weber
Margot Weber lebt als Journalistin in München.