Inspiration und Transpiration
Vielleicht war es ein Echo darauf, dass sich Brahms zeitlebens viel mehr auf die „Arbeit“, die „Gedankenarbeit“ am musikalischen Material konzentrieren sollte, wie er es selbst nannte, statt einer trügerischen Inspirationsästhetik zu vertrauen. Die überließ er getrost den von ihm verachteten „Neudeutschen“ rund um Franz Liszt, welchen er zwar menschlich, nicht aber musikalisch hoch schätzte – im Gegensatz zu Wagner, dessen Musik er über alle persönlichen Anfeindungen ihres Schöpfers hinweg aus gewisser Distanz bewunderte, den er jedoch persönlich nicht ertragen konnte. „Das, was man eigentlich Erfindung nennt, ist sozusagen höhere Eingebung, Inspiration, das heißt, dafür kann ich nichts. Von dem Moment an kann ich dies ‚Geschenk‘ gar nicht genug verachten, ich muß es durch unaufhörliche Arbeit zu meinem rechtmäßigen, wohlerworbenen Eigentum machen“, schrieb er einmal seinem Freund Joseph Joachim. Zugleich hat er so rigoros wie kaum ein anderer Komponist alle Anstrengungen unternommen, diese Arbeit dem Blick der Öffentlichkeit wie der Nachwelt zu entziehen, sich nicht in die Lieder blicken zu lassen: Briefe, Skizzenmaterial, Einzelsätze, ja komplette Werke hat er vernichtet.