Fataler Doppelsinn
Die zweite Gruppe orchestrierter Schubert-Lieder dieses Programms stammt aus dem „Schwanengesang“, der posthumen Versammlung seiner letzten Lieder mit einer Rellstab-Gruppe von sieben sowie sechs Stücken nach Heinrich Heine, den Schubert in seiner letzten Lebensphase für sich entdeckt und gleichsam prophetisch komponiert. Damit hat er sich eingehandelt, was Adorno „die Wunde Heine“ nennt: jenen fatalen Doppelsinn, der die romantische, namentlich deutsche Gefühlswelt ebenso lyrisch blühen lässt wie er sie kritisch-zynisch zu Grabe singt. Heine, 1857 in der Pariser „Matratzengruft“, seinem fatalen Krankenlager, gestorben, hat diese Lieder Schuberts gekannt, wohl auch, so ist anzunehmen, Liszts Umsetzung auf das Klavier – aus einem Notat vom 26. März 1843 ist es zumindest vermutbar: „Die Popularität Schuberts ist sehr groß in Paris, und sein Name wird in der unverschämtesten Weise ausgebeutet. Armer Schubert! ... Es sind namentlich die von Schubert komponierten Lieder von Heinrich Heine, welche hier am beliebtesten sind, aber die Texte sind so entsetzlich übersetzt, dass der Dichter herzlich froh war, als er erfuhr, wie wenig die Musikverleger sich ein Gewissen daraus machen, den wahren Autor verschweigend, den Namen eines obskuren französischen Paroliers auf das Titelblatt jener Lieder zu setzen.“ Man wollte eben „die Wunde“ verstecken, um die Lieder „salonfähig“ zu machen und als gefällig für breite Schichten auf den Markt zu streuen.