Kontraste und eine Fügung
Nun also kehrt Pinchas Steinberg zum ORF RSO Wien und in den Musikverein zurück. Er beginnt dieses Ereignis mit der Ouvertüre zu Dmitrij Kabalewskijs Oper „Colas Breugnon“. Viel zu selten werde Kabalewskij in den Konzertprogrammen dieser Welt berücksichtigt, ist er überzeugt. Er arbeitet daran, dies zu ändern, und hat schon damals, in den neunziger Jahren, am Pult des RSO im Musikverein die Zweite Symphonie dirigiert. Als Kontrast zu diesem „kurzen, brillanten – und lustigen“ Werk beendet er das Konzert mit Schostakowitschs Zehnter Symphonie. Und dazwischen spielt Michael Barenboim den Solopart im Violinkonzert von Arnold Schönberg. Eine schöne Fügung: Es war Jascha Heifetz, Steinbergs berühmter Lehrer, der anno 1940 die Uraufführung hätte spielen sollen. In den Geschichtsbüchern heißt es, er habe dies „wegen Unspielbarkeit des Werkes“ abgelehnt. „Wer, wenn nicht Heifetz, hätte eine bessere Technik gehabt, um das Werk zu spielen, als Jascha Heifetz?“, stellt Steinberg die rhetorische Frage. „Meine persönliche Meinung ist: Er wollte das Werk nicht spielen. Das war eine musikalische Sprache, die ihm fremd war. Das einzige zeitgenössische Werk, das er uraufgeführt hat, war das Violinkonzert von Korngold. Er hat dieses Werk für Heifetz geschrieben.“ Und wie hält es Steinberg selbst heute mit der Geige? „Meine Enkelin spielt Geige“, erzählt der stolze Großvater. „Sie ist elf Jahre alt. Jedes Mal, wenn ich zu Besuch nach Holland komme, nehme ich ein paar Tage vorher die Geige und übe. Ich möchte nicht zeigen, dass ich nicht mehr so gut bin.“ Als Dirigent ist er einer der Besten, die die Musikwelt derzeit zu bieten hat.
Ulrike Lampert
Mag. Ulrike Lampert ist Redakteurin der Zeitschrift „Musikfreunde“ und der Programmhefte der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.