Das Ideal
Genaues Studium der Quellen ist selbstverständlich, obwohl Herreweghe bescheiden anmerkt, die wahren Pioniere seien für ihn oft in der Musikwissenschaft zu finden gewesen, er selbst hätte „nur“ deren Erkenntnisse für sich ausgewertet. Seine Vorliebe für Originalinstrumente könnte man als fundamental, aber nicht fundamentalistisch bezeichnen. „Wie es gewesen ist, wird man nie genau wissen“, sagte er einmal zu Tobias Pfleger. Dementsprechend undogmatisch kann er bei aller grundsätzlichen Genauigkeit verfahren und etwa einmal die These, Bachs Werk und also auch die h-Moll-Messe würde man am besten mit einem solistisch besetzten Chor aufführen, im selben Zusammenhang ganz salopp als „Quatsch“ bezeichnen. Bei aller genauen Kenntnis Alter Musik ist bei seinen Aufführungen stets zu erleben, dass sich Herreweghes Welt weder in ihr erschöpft noch einzig um sie kreist. Und etwas Weiteres kann man ebenso erleben, wenn man einer seiner Aufführungen beiwohnt: dass es das Ziel des Dirigenten ist, sich selbst zurückzuhalten und sich möglichst gar nicht wahrnehmbar zu machen: „Mein Ideal ist die Transparenz des Interpreten.“
Daniel Ender
Der Musikwissenschaftler und -journalist Dr. Daniel Ender verfasste Monographien über Richard Strauss und Beat Furrer sowie zahlreiche Aufsätze, lehrte an verschiedenen Universitäten und schreibt regelmäßig für den „Standard“ sowie die „Neue Zürcher Zeitung“. Seit 2015 arbeitet er für die Alban Berg Stiftung, seit Oktober 2018 als Generalsekretär.