Verstörend einfach
Vor allem wirkt das musikalische Material dieser Symphonie verstörend einfach – und auch das ist gewollt. Das Einfache verweist, ironisch, auf das Schwierige: die Botschaft. Etwa die zwölftaktige Adagio-Introduktion, die mit ihrem subdominantischen Initialakkord geradezu unheimlich ansetzen will, um ganz dialektisch in einen sanguinischen Weckruf umzuschlagen, der alle Bewegung in Gang setzt. Das erste Thema des Kopfsatzes besticht durch Energie, auf- und vorwärtsstrebend, blickt aber gleichzeitig zurück mit seinem Anklang an den Kopfsatz der Mozart’schen „Jupiter-Symphonie“; das zweite Thema – fallende Achtelsequenzen als Merkmal – führt zwar in eine mystische Moll-Zone, jedoch nur für einen Moment, der sogleich wieder aufgehoben wird – Reverenz an einen typischen Kunstgriff Mozarts. Höchst knapp die Durchführung – als käm’s darauf weit weniger an als auf die elektrisierende Steigerung zu brillantem Schluss, angriffiger, als man es je zuvor vernahm. Ironischer Gruß an eine überholte Feudalgesellschaft. Beethovens erste Symphonien Ähnlich die Folgesätze: Im Larghetto wird ein schultypisches Fugenthema angesetzt – ohne die Fuge zu vollziehen; dann häufen sich die Wider- haken gegen Gemächlichkeit durch abrupte Tonartenwechsel ohne vermittelnde Übergänge. Und das Lyrische wird ausgerechnet mit Trommel-Figuren unterlegt, damit man nicht den Aufbruch vergisst. Das Menuett ist eigentlich schon ein ausgewachsenes Beethoven’sches Scherzo, die Menuett- Gestik nur Verpackung, denn im Trio wirkt der mysteriöse Bläsersatz geradezu „prophetisch“, sagt Tovey, dialektisch umspielt von leicht geisterhaften Violinfiguren. Das Finale mit seiner einleitenden Skalenspielerei gibt sich als imitierter Haydn-Scherz, der jedoch Beethoven’sche Folgen hat: Das aus der Skala entwickelte erste Thema wird zu geradezu aggressiver Brillanz gesteigert, im zweiten werden metrisch bissige Gegenschläge eingesetzt, um dann in der Coda explizit als Marsch zu enden: Marsch in die Zukunft.