Das Trio und der Dritte
Das war scheinbar so dahingesagt, eine der Brahms’schen Redensarten, die man um Himmelswillen nicht wörtlich nehmen sollte. Aber im Wortspielerischen drang doch etwas vom Unbewussten durch. Brahms kämmte diesem Trio nicht nur die Haare – er beschnitt auch den Trieb, der es durchpulst hatte, und dieser Trieb – das von Brahms gewählte Wort drängt einem die Deutung förmlich auf –, hatte etwas durchaus Erotisches, ja, Sexuelles. Sublimiert freilich, schon damals, gebändigt im Prozess des Komponierens, eingefasst in den Fluss und das Fluten der Stimmen. So wurde, was Trieb sein mochte, geborgen in der Gestalt. Die aber war noch durchzogen von Chiffren – und die, die’s anging, verstanden sie sehr wohl: Clara und Robert Schumann, denen der junge Brahms soeben persönlich begegnet war. Sie schlossen einander ins Herz: sie ihn, er auch sie – sie, das waren erst einmal die beiden im Plural, Clara und Robert, das hohe Paar, aber nicht ausbleiben konnte es, dass sich dieses „sie“ auch im Singular darbot und Johannes sie zu lieben begann: Clara, die Frau, die Einzigartige, die dann auch, gewissermaßen, die Einzige in seinem Leben bleiben sollte. Als Johannes Brahms im Jänner 1854 sein Opus 8 komponierte, war dies alles noch im Werden – ein zartes Keimen im Tiefen, das noch nicht recht nach oben ins Fassbare drang. Das Unbewusste mag da schon weiter gewesen sein. Im Trio jedenfalls schrieb sich Brahms schon als Dritter in die Liebesbeziehung ein. Im Finale ließ er Beethovens Liedzyklus „An die ferne Geliebte“ mit dem letzten, vielsagenden Lied anklingen „Nimm sie hin denn, diese Lieder, die ich dir, Geliebte, sang“ – ein Zitat, das Schumann zu einem Signet seiner Liebe zu Clara gemacht hatte und ihr, eingebettet in eigene Kompositionen, immer wieder als Herzensbekenntnis zuspielte. Brahms nahm es auf, in der Erstfassung seines Trios, und wer Ohren hatte zu hören, dem blieb auch im Adagio eine Anspielung nicht verborgen: Schuberts „Am Meer“ taucht da auf: ein Heine-Lied aus dem „Schwanengesang“, in dem von unerfülltem Verlangen gesungen wird: „Seit jener Stunde verzehrt sich mein Leib,/ Die Seele stirbt vor Sehnen …“