Macht die Musik den Menschen besser?
Kehren wir zu Cäcilia zurück, die als Heilige und als Patronin der Musik zwei Ideale und damit zwei Zielrichtungen in sich vereint: Moralität und Ästhetik. Haben das Schöne und das Gute miteinander zu tun, macht große Kunst – und im Besonderen große Musik – den Menschen besser? Eine Frage, die in der aktuellen Diskussion nicht sonderlich relevant zu sein scheint, die aber in der Geschichte vielfach die Gemüter bewegte. Man denkt an Friedrich Schiller, dem die „ästhetische Erziehung“ des Menschen ein Herzensanliegen war, man denkt aber auch an Georg Friedrich Händel, der sich nicht damit abfinden wollte, seine Mitwelt bloß „unterhalten“ zu haben – sein eigentliches Bestreben sei es gewesen, sie zu bessern. Viel Ernüchterndes hat in jüngerer Vergangenheit den Gedanken dieser heilbringenden Verbindung der beiden Ideale relativiert – Hitlers Musikleidenschaft hatte keinen läuternden Einfluss auf seine radikalen Vernichtungspläne, Reinhard Heydrich, einer der kältesten Vollstrecker, wusste durch ausdrucksvolles Geigenspiel seine Umgebung zu beeindrucken. Nein, die Beziehung zwischen dem Guten und dem Schönen ist etwas komplizierter, als es dem landläufigen Harmonisierungsbestreben entspricht, und so ist Skepsis auch gegenüber anderen Berührungspunkten von Moral und Ästhetik angebracht. Im musikästhetischen Schrifttum des bereits zitierten Theodor W. Adorno begegnet man einer geradezu zelotischen Strenge gegenüber jeglichem Genießen in der Musik, einer strikten Ablehnung des „Kulinarischen“, das davon abhalte, sich dem Eigentlichen großer Kunst zu öffnen, der Erkenntnis des gesellschaftlichen „Verblendungszusammenhangs“. Künstlerische Askese im Dienste des „Wahren“ – das klingt sehr katholisch, doch ob Cäcilia damit Freude hätte, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.