Für den Respekt vor der Originalgestalt einer Komposition, mit dem wir uns heute den Werken der Vergangenheit nähern, hätte man im 18. Jahrhundert wohl nur ein ungläubiges Kopfschütteln übrig gehabt. Da wurde nach Lust und Laune uminstrumentiert, adaptiert und bearbeitet, um die Musik den eigenen Vorlieben und Bedürfnissen anzupassen. Ein Projekt der Musikuniversität Wien macht es hörbar: Haydn ad libitum.
Was blieb? Die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien verkörpert wie wenige andere Institutionen das, was man gemeinhin bürgerliche Musikkultur nennt. „Bürgerlich“ trifft freilich die Sache nicht ganz: Von Anfang an spielten hohe Adelige bei der Gründung und Organisation des Vereins eine große Rolle. Und besonders engagiert zeigte sich die sogenannte Zweite Gesellschaft, ein Kreis von höheren Beamten, reichen Unternehmern und wohlsituierten Akademikern im Wiener Musikleben. Jüngst geadelte Familien, die dem Ritterstand angehörten, Barone, Freiherren und Ritter zählten dazu, eine Schicht, die im 18. Jahrhundert immer mehr Agenden des Musiklebens übernahm und dadurch dem hohen Adel auf Augenhöhe begegnen konnte.
Manches, das sich in den Anfängen der bürgerlichen Musikkultur entwickelte, hat bis heute Bestand. Nach wie vor gibt es Konzerte, die für alle frei zugänglich sind, die sich eine Eintrittskarte leisten können. Immer noch gehören Oratorien, Symphonien, Streichquartette, Klaviersonaten und Klavierlieder zum Kernbestand des Konzertrepertoires. Und unverändert zählt Wien zu den Hauptstädten der klassischen Musik, eine Position, in die die Stadt damals langsam hineinwuchs.