Inmitten eines Konflikts
Dass diese Schlacht nun auch abseits des Konzertsaals stattfindet, ist ein weiteres Paradoxon von Dudamels wundersamer und wunderbarer Karriere. Es ist neuerdings schwer geworden, über ihn zu schreiben, ohne den Konflikt anzusprechen, der um seine Person in seiner Heimat Venezuela, und nicht nur da, entbrannt ist – und man kann das Thema erst recht nicht ausklammern, wenn er Beethoven dirigiert.
Kurz zusammengefasst: Dudamel, 1981 in Barquisimento geboren, der viertgrößten Stadt Venezuelas, wird als prominentestem Spross des El-Sistema-Projekts eine Rolle zugeschrieben, der er kaum gerecht werden kann. Er soll das Simón Bolívar Orchester, das kulturelle Aushängeschild des Landes, weiter an die Weltspitze heranführen, gleichzeitig soll er aber auch als Sprachrohr gegen die Regierung auftreten, die das Land gerade gegen die Wand gefahren hat. Allein für 2016 wird die Inflation auf 750 Prozent geschätzt. Das ölreichste Land der Welt hat keine Devisen, um die wichtigsten Nahrungsmittel zu importieren. Die Statistik weist Caracas als gefährlichste Stadt der Welt aus, noch vor Bagdad. „Fiedeln, während Venezuela verhungert“, titelte die „New York Times“ nach einem Konzert in der Carnegie Hall. Der Autor stellte die Frage in den Raum, ob Dudamel nicht Propaganda für ein korruptes Regime betreibe.
Danach ging Dudamel in die Offensive. Er spürt, dass diese Diskussion nicht nur ihm schaden kann, sondern auch seinem Orchester – und das wäre für ihn ein Albtraum. Dudamel fühlt sich dem Projekt so sehr verbunden, dass er dafür so gut wie alles geben würde, die Auftritte mit Obama ebenso wie seinen Celebrity-Status in Los Angeles.