Faszinierend, aber nicht darstellbar
In seiner dreibändigen Biographie über den berühmten Bruder gibt Modest Tschaikowskij eine genaue Inhaltsangabe der „Undina“ und kommt zu dem lapidaren Schluss: „Bei der Lektüre des Librettos der ,Undina‘ bleibt einem völlig unverständlich, wie Pjotr Iljitsch sich ernsthaft damit befassen konnte, wie er Musik dazu schreiben konnte, die, nach den erhaltenen Resten dieser für immer verschwundenen Oper zu schließen, dennoch Lebendiges enthielt. Es ist daher durchaus möglich, dass der Komponist an den Reimen verbesserte und sie glättete, aber soweit ich mich erinnere, blieb die Handlung unverändert.“ Ganz hat die „Undina“ den Komponisten dennoch nicht losgelassen. Er dachte 1878 daran, eine neue Oper über das Sujet zu schreiben, 1888 schwebte ihm ein Ballett dazu vor – beides wurde nicht ausgeführt. Noch in seinem Todesjahr 1893 schrieb er an seinen Bruder Modest, der ihm ein eigenes Szenario nach Zhukowskij, eigentlich für Sergej Rachmaninow bestimmt , übermittelt hatte. Er lobte die Arbeit, doch „trotzdem kann ich ,Undina‘ nicht schreiben“. Konkret nannte er einzelne Textstellen, die ihn nicht ansprachen. „Aber vielleicht“, fügte er an, „könnte man etwas hineinnehmen, was mich bei der letzten Lektüre (der Erzählung) zu Tränen rührte? Ich meine, wie beim Begräbnis des Ritters Undina als Bächlein sich über das Grabmal ergießt, um nie vom geliebten Leichnam getrennt zu sein. Kurzum, das, was mich an ,Undina‘ fasziniert, ist auf der Bühne nicht darstellbar.“ Es fehle ihm auch jetzt die Frische, um sich neuerlich diesem Stoff zu widmen.