Höchste Kraft auf engstem Raum
Wenn Marc Minkowski nun mit den Musiciens du Louvre und einer speziellen Solistenriege neuerlich im Goldenen Saal musiziert, wo er bisher Musik von Rameau, Händel, Carl Philipp Emanuel Bach, Gluck und Haydn aufgeführt hat, dann ist das eine doppelte Rückkehr – nämlich auch eine zu Johann Sebastian Bach und seiner „Johannespassion“. „Mit Bach beschäftige ich mich immer wieder, und dieses Werk habe ich zuletzt vor zwei Jahren anlässlich einer Aufnahme dirigiert, die nun endlich erscheinen soll“ – in ähnlich außergewöhnlichem Gewand wie nun im Musikverein: „Ich interpretiere Bach mit einem Vokalensemble, das von der Größe her seinen eigenen Kräften entspricht – und die waren sehr begrenzt, denn die Orgelemporen boten sehr wenig Platz. Für die ,Johannespassion‘ bilden alle Sänger nur ein Doppelquartett, der Evangelist ist genauso Teil des Chores wie Christus und Pilatus.“
Gerade für die „Johannespassion“, das dramatischere Werk neben der meditativeren „Matthäuspassion“, empfindet Minkowski diesen „lutheranischen“ Interpretationsansatz faszinierend: „Man kann der Erzähler sein, gleich darauf ein Protagonist der Handlung und eine Sekunde später wieder der Erzähler; der Chor kann den Tod Jesu kommentieren, nachdem einer von ihnen gerade Jesus war. – Und natürlich ist es ein Schock für Leute, die die Tradition großer Chöre gewohnt sind, ob es nun 150 Sänger sind oder auch nur 20: Denn von diesen zwanzig nochmals auf acht zu reduzieren bedeutet eine völlig andere Welt! Wenn man die richtige Einstellung, das richtige Team, die richtigen Stimmen zur Verfügung hat, dann ist das eine großartige Erfahrung. Für mich ist es ein Teil von Bachs Genie, dass man etwa bei seinen Partiten für Solovioline die ganze Welt der Polyphonie erlebt, dass man den Geist des Immensen fühlen kann. Die ,Johannespassion‘ mit einem so kleinen Ensemble aufzuführen gibt mir genau dieses Gefühl.“