Geheime Leitfigur
Den Schritt ins Populäre begann die Bartoli konsequent, indem sie sich zunächst auf dem „Audio“-Markt etablierte, sozusagen insinuativ durch die Jahrzehnte ihr Publikum thematisch mit „Alben“ beschickend, die im wahrsten Wortsinne ins Herz treffen konnten, weil sie Intima berühren in Editionen wie „Sospiri“ oder „The Impatient Lover“. Dazu benutzt sie das Erbe der Opernmusik wie des Liedguts, ob bekannte Werke oder vergessene, um Menschliches musikalisch vollziehbar zu machen. Der Markt gibt ihr Recht: Die Arien-Anthologien werden populär, weil sie den Umstand des Bühnendramas hinter sich lassen und auf das Wesentliche kommen, auf das, was unaussprechlich in uns vorgeht, durch Musik jedoch direkt wahrnehmbar wird für jedermann. Tolle Beispiele aus Bartolis Programmen, vielfach mit höchst ungewöhnlichem historischen Konnex – und in der Audio-Vermarktung dennoch oft genug „oben in den Charts“: etwa „Sacrificium“, eine Edition von Musik, die für Kastraten geschrieben wurde und das namenlose Leid dieser Kreaturen im Dienste der Schönheit spiegelt; oder „Opera Proibita“, eine Anthologie, die eine Gegen-Kunst präsentiert, nämlich das „Melodramma sacro“, das mit aller dramatischen Kraft als Reaktion auf die kirchliche Unterdrückung der weltlichen Oper in Rom nach 1700 erblühte. Und dann das Identifikations-Opus der Bartoli: „Maria“, eine Hommage an Maria Malibran, geborene Garcia, in Ton und Bild, eine Belcanto-Legende, Diva und Kultur-Ikone zu Beginn des 19.Jahrhunderts, gewiss geheimes Vorbild und Leitfigur der Cecilia Bartoli.