Hinter der romantischen Patina
Doch der Alltag im Tel Aviv der dreißiger Jahre war für die deutschen, tschechischen und österreichischen Musiker deprimierend. In seinem Roman „Rosendorf-Quartett“ aus dem Jahr 1987 beschreibt der Schriftsteller Nathan Shaham mit großer Zärtlichkeit diese ersten „Jeckes“, die mit ihren Instrumenten, abgegriffenen Partituren und Notenständern im Gepäck in Palästina an Land gingen „und sich daran machten, ihre geistige Welt nach dem Muster der in Berlin, Heilbronn, Linz oder Prag verlassenen Häuslichkeit wieder aufzubauen“. Den Cellisten Bernard Litovsky etwa lässt er voller Trauer sagen: „Gäbe es Hitler nicht, säße ich jetzt in einem deutschen Orchester und würde mich unermüdlich um eine Karriere als Solist bemühen.“ Denn trotz aller romantischen Patina, die sich um solche Gründermythen bildet – letztlich waren die Musiker Flüchtlinge, Vertriebene, Heimatlose. Nicht nur, dass sie allen Besitz in Europa hatten zurücklassen müssen. Oft waren sie auch nur knapp ihrer physischen Vernichtung entgangen. 84 Konzerte gaben die Männer in ihrer ersten Saison. Sie fuhren in kleine Siedlungen, traten aber auch in Tel Aviv, Jerusalem, Haifa, Nathanya oder Herzlya auf; sie spielten Arbeiterkonzerte, Abonnentenkonzerte und Soldatenkonzerte. Der frühe Klang? Warm und sanft, aber zugleich ein wenig g’schlampert, wie Zuhörer von damals berichten. Der Grund dafür: Vor allem die Streicher kamen vornehmlich aus Wien und hatten die sinnliche Tradition der österreichischen Schule im Gepäck, nicht etwa den schneidend klaren, preußisch disziplinierten Klang der Kollegen aus Berlin.