Wie erleben Sie den Unterschied, als Fagottist im Orchester zu sitzen bzw. als Dirigent vor einem Orchester zu stehen? Wenn man im Orchester sitzt, ist man auf der einen Straßenseite, wenn man dirigiert, auf der anderen. Das müssen nicht gegeneinander gerichtete Straßenseiten sein, aber der Ausblick ist ein unterschiedlicher, je nach dem, auf welcher Seite man steht. Wenn ich dirigiere, dann vergesse ich eigentlich, dass ich auch ein Fagottist bin. Oder höchstens die Fagottisten stöhnen, wenn ich ihnen sagen muss, dass sie zu laut spielen.
Wie ist der Blick vom Dirigentenpult aus auf das Orchester, dieses homogene Ganze, das aus lauter Individuen, den einzelnen Musikern besteht?
Der Blick muss meiner Meinung nach dominiert sein vom Respekt für die Individuen. Je mehr Respekt man dem Orchester gegenüber aufbringt, desto mehr Respekt kommt zurück. Den Dirigenten der diktatorischen Natur, den gibt es heute ja nicht mehr, der könnte gar nicht mehr existieren. Aber natürlich: Der Dirigent ist letztlich der Capo. Es ist eine sehr feine Linie zwischen der Frage, wie viel kann ich annehmen von den Anregungen, die aus dem Orchester kommen, und der Notwendigkeit zu signalisieren: Es geht jetzt so, wie ich es sage. Es ist auch zu sagen, dass unterschiedliche Orchester einen unterschiedlichen Zugang seitens des Dirigenten brauchen. Es gibt Orchester, die sich gerne total dem Dirigenten ausliefern, zum Beispiel in Japan. Und jüngere Orchester sind wieder anders zu behandeln als Orchester mit mehr älteren Musikern. Aber immer ist der Respekt meiner Meinung nach zuvorderst.