Gottes ist der Orient
Goethes „West-östlicher Divan“ und der Zauber einer Märchenwelt
Vor zweihundert Jahren erschien Goethes „West-östlicher Divan“. Lieder nach Gedichten aus dieser Sammlung stehen im Zentrum eines Abends mit Studierenden der mdw. Thomas Leibnitz beleuchtet Verbindendes und Trennendes zwischen Morgenland und Abendland.
Es war dies ein alter, aber sehr gelehrter Mann, der viele morgenländische Sprachen verstand, Arabisch, Persisch, Koptisch, sogar Chinesisch, von jedem etwas; er galt in jenem Land für ein Wunder von Gelehrsamkeit, und man gab ihm viel Geld, daß er diese Sprachen andere Leute lehrte. Dieser Mann ließ nun den jungen Almansor alle Wochen einige Male zu sich kommen, bewirtete ihn mit seltenen Früchten und dergleichen, und dem Jüngling war es dann, als wäre er zu Hause.“ Eine Episode aus der „Geschichte Almansors“, einem der Märchen Wilhelm Hauffs, die ein idealisiertes Orientbild zeichnen, wie es für das 19. Jahrhundert charakteristisch ist. Für Hauff ist der Orient die „gute Welt“, und gerade in der „Geschichte Almansors“ bringt er dies auf den Punkt: Almansor, der Sohn eines Scheichs, wird nach Paris verschleppt, wo er ein tristes Leben als Dienstbote führen muss – Lichtblicke sind für ihn die Stunden bei dem alten Professor, dessen Orientliebe seltsame Blüten treibt: „Auf einem dieser Polster saß der alte Professor; er sah aber ganz anders aus, als gewöhnlich; um den Kopf hatte er einen feinen türkischen Shawl als Turban gewunden, er hatte einen grauen Bart umgeknüpft, der ihm bis zum Gürtel reichte und wie ein natürlicher, ehrwürdiger Bart eines gewichtigen Mannes aussah.“ Es gelingt Almansor, in seine Heimat zurückzukehren, wo er wieder in seine Rechte als Fürstensohn eingesetzt wird und mit Dankbarkeit seiner Wohltäter gedenkt, darunter auch des wunderlichen Pariser Professors.
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