Mit Verstand und Gefühl

Sie ist auf dem besten Weg, die Konzertpodien der Welt zu erobern: Die New Yorker Dirigentin Karina Canellakis präsentiert sich als Künstlerin im Fokus. Dass sie nicht nur über außergewöhnliches Talent, sondern auch über starke Nerven verfügt, bewies Karina Canellakis, als sie 2015 kurzfristig für Nikolaus Harnoncourt einsprang.

© Mathias Bothor

Immer wieder hat sie sich in der Speerspitzen-Position bewährt. So war sie als erste Frau eingeladen, das Nobelpreis- Konzert in Stockholm zu leiten, und sie war die erste Dirigentin, der man in London die First Night of the Proms anvertraute. Nicht zuletzt erlebte auch der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien mit Karina Canellakis erstmals eine Frau am Pult. Als sie mit den Wiener Symphonikern zum Beethoven-Tag im Juni 2021 Beethovens Neunte zur Aufführung brachte – ein mediales Großereignis vor der Kulisse des Schlosses Belvedere – war so manches erfahrene Chormitglied begeistert, wie hier Kompetenz und spezifische Sensitivität zu einer ungewöhnlich schönen, feinen Interpretation verschmolzen. 

Seit sie 2016 den Sir Georg Solti Award gewann, hat sich die aus New York City gebürtige Karina Canellakis in der Neuen wie in der Alten Welt gleichermaßen positioniert. Sie hat mit dem Cleveland und dem Philadelphia Orchestra sowie dem Boston und dem Chicago Symphony Orchestra ebenso gearbeitet wie mit dem Gewandhausorchester Leipzig, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und dem London Symphony Orchestra; der Einstand beim New York Philharmonic und beim Pittsburgh Symphony Orchestra ist bereits programmiert. Mit Anfang vierzig kann die Tochter eines Dirigenten und einer Pianistin auf eine beeindruckende Karriere verweisen, die ihre solide Basis im Violinspiel hat. Hilary Hahn war das Idol ihrer Kindheit. Allerdings hatte sie schon mit zwölf auch einen Dirigierkurs absolviert und war fasziniert von Partituren. Nach Abschluss ihres Studiums am Curtis Institute of Music ging sie daher ins Orchester, war zwei Jahre lang Mitglied der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker und sammelte Erfahrungen als Solistin, Gastkonzertmeisterin und Kammermusikerin. Danach wagte sie, ermuntert von ihrem Mentor Sir Simon Rattle, den Schritt ans Dirigentenpult.

Dass sie nicht nur über außergewöhnliches Talent, sondern auch über starke Nerven verfügt, bewies Karina Canellakis, als sie im Sommer 2015 kurzfristig für Nikolaus Harnoncourt einsprang. Nach einem persönlichen Briefing durch den Meister, der der jungen Kollegin großzügig auch die von ihm eingerichtete Partitur zum Studium überließ, feierte die Newcomerin ihr Europa-Debüt: mit dem Chamber Orchestra of Europe und einem ungewöhnlichen Dvořák-Programm, das nach „nikoloischer“ Art nicht aufs Populäre schielte. Seither hat sich Canellakis, Kind einer Einwandererfamilie mit griechisch-russischen Wurzeln, in der Alten Welt dauerhaft behauptet. Im folgenden Jahr durfte sie den kurz zuvor verstorbenen Nikolaus Harnoncourt gleich nochmals vertreten, diesmal im Rahmen des Beethoven-Zyklus mit dem Concentus Musicus, mit dem sie die Symphonien 1 und 8 sowie 2 und 7 zur Aufführung brachte. 

Inzwischen hat die New Yorkerin in Europa Wurzeln geschlagen. Mit ihrem deutschen Mann lebt sie in Amsterdam. Hier ist sie seit 2019 Chefdirigentin des Niederländischen Radio-Symphonieorchesters, mit dem sie auch szenische Opernproduktionen erarbeitet. Überdies wirkt sie als Erste Gastdirigentin des London Philharmonic Orchestra und des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. 

Mit den beiden erstgenannten Ensembles wird sie als Künstlerin im Fokus kommende Saison auch im Musikverein zu Gast sein. Den Goldenen Saal hat Canellakis als Geigerin bereits kennengelernt. Nun wird sie hier als Dirigentin fünf Konzerte mit vier verschiedenen Programmen gestalten, in denen neben Mozart, Beethoven und Brahms auch Werke der Zweiten Wiener Schule und der Moderne gebührenden Platz finden. Mit dabei sind auch wieder die Wiener Symphoniker sowie das ORF RSO Wien. Und der Singverein darf sich auf die nächste Begegnung freuen – diesmal bei Janáčeks „Glagolitischer Messe“. 

Ein Text von Monika Mertl.

Musikverein Wien, Innenaufnahme, Grosser Saal, Goldener Saal, Architektur, Orgel, Sitzreihen, Bestuhlung, Deckengemälde

© Dieter Nagl

Christian Thielemann

Christian Thielemann, Wien und der Musikverein – es ist eine Erfolgsgeschichte durch und durch. 2023/24 wird sie fortgeschrieben. Die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien präsentiert auch in dieser Saison wieder einen Christian-Thielemann-Zyklus.

Musikverein Wien, Innenaufnahme, Grosser Saal, Goldener Saal, Architektur, Orgel, Sitzreihen, Bestuhlung, Deckengemälde

© Todd Rosenberg

Riccardo Muti

Man möchte dabei gewesen sein, 1973, beim Ball der Wiener Philharmoniker. Die Eröffnung dirigierte ein noch nicht ganz 32-jähriger Italiener, von dem man schon Wunderdinge vernommen hatte: Riccardo Muti. Der Musikverein sollte zu einer Heimat für ihn werden, einem Zentrum seiner Weltkarriere. 50 Jahre nach seinem Debüt widmet die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien ihrem Ehrenmitglied einen Saisonschwerpunkt: Riccardo Muti im Fokus.

Musikverein Wien, roter Teppich, Stiegenaufgang zum Grossen Saal und Brahmssaal

© Simon Fowler | Warner Classics

Beatrice Rana

Von ihrer Heimat Apulien zog Beatrice Rana aus, die klassische Musikwelt zu erobern. 2023/24 nimmt der Musikverein die dreißigjährige Pianistin in den Fokus und widmet ihr einen eigenen Schwerpunkt mit drei Programmen, in denen sie ihre Stilsicherheit in einem weitgefächerten Repertoire unter Beweis stellen kann.

Musikverein Wien, roter Teppich, Stiegenaufgang zum Grossen Saal und Brahmssaal

© Marco Borggreve

Santtu-Matias Rouvali

Santtu-Matias Rouvali ist gerade dabei, international durchzustarten. Die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien nimmt den jungen finnischen Dirigenten 2023/24 in den Fokus: Santtu-Matias Rouvali am Pult der Göteborger Symphoniker, des Philharmonia Orchestra London und der Wiener Symphoniker.

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