Die Kunst der Weitergabe
Gerade im Bereich der Ausbildung kommt den Mitgliedern des Concentus Musicus auch eine Aufgabe und eine gewisse Verantwortung zu. Die Gefahr, dass Nikolaus Harnoncourt in seiner musikhistorischen Bedeutung nicht erkannt und von unbekümmert musizierendem Nachwuchs übergangen wird, sieht Erich Höbarth durchaus als gegeben: „Ich stelle fest, dass sehr viele junge Ensembles unterwegs sind, und dass die Impulse, die von Nikolaus ausgegangen sind, offenbar nicht mehr so wirksam sind. Ich selbst unterrichte in Leipzig, und meine Studenten kennen zwar den Namen Harnoncourt, aber dass er eine Jahrhundertfigur war, wissen sie nicht.“ In Wien, wo Nikolaus Harnoncourt umstritten war wie nirgends sonst, haben sich die Möglichkeiten, seine fundamentalen Erkenntnisse in der Lehre zu verankern, soeben stark verbessert. An der Universität für Musik und darstellende Kunst gibt es seit dem Wintersemester nämlich erstmals ein eigenes Institut für Alte Musik, das aus einer Unterabteilung am Haydn-Institut hervorgegangen ist. „Da war ich ein bisschen der Katalysator“, freut sich der frischgebackene Institutsleiter Stefan Gottfried. Hier können nun auch andere an der mdw lehrende Concenti ihr Spezialwissen einbringen, wie Andrea Bischof, Thomas Fheodoroff, Dorothea Schönwiese, der junge Cembalist Reinhard Führer – und Tenor Michael Schade. Andrea Bischof bringt es auf den Punkt: „Es ist uns ein Anliegen, dass Alice sich nicht mehr ärgern muss, wenn sie im Radio ‚nicht-sprechende‘ Interpretationen hört!“
Monika Mertl
Prof. Monika Mertl, Kulturpublizistin in Wien, ist Autorin der Biographien von Nikolaus Harnoncourt (Vom Denken des Herzens) und Michael Heltau (Auf Stichwort).