Ambitioniertes Unterfangen
Dass nicht die eine Musik weniger interessant ist als die andere, war das Credo der Gründungsväter der Gesellschaft der Musikfreunde. Im Archiv wollten sie Musik von Komponisten, also in Noten fixierte Musik, und Aufzeichnungen von Volksmusik sammeln. Das war Pionierarbeit, etwas absolut Neues. „Es ist beklagenswert“, schrieb 1815 Gründer Joseph Sonnleithner, „daß bisher niemand daran gedacht hat, die National-Volkslieder zu sammeln, welche einen wichtigen Beytrag zur Kulturgeschichte jedes Volkes enthalten.“ Und viele, die das im Aufbau befindliche Archiv mit Geschenken unterstützten, wurden gefragt, ob sie nicht auch Volksmusikaufzeichnungen beschaffen könnten. Wie etwa Friedrich Graf Nostitz in Prag: „Sollten sich, wie nicht zu zweifeln ist, auf Eurer Hoheit Herrschaften geschickte Musiker unter den Schullehrern befinden, so würden Sie der Gesellschaft einen wesentlichen Dienst leisten, wenn Sie selben anempfehlen wollten, Text und Musik der Volkslieder, es seyen Deutsche oder Böhmische, sorgfältig zu sammeln“, aber auch Tanzmusik und sonstige instrumentale Volksmusik. Der Schulgehilfe Joseph Wöss aus Loosdorf bei Melk, der für das Archiv verschiedenste alte und neue Noten anbot, wurde umgehend informiert, dass hier „auch die leider so sehr vernachlässigten Volkslieder“ gesammelt werden sollen, „um jene zu retten, welche noch nicht verloren sind“. „Wenn sie nachforschen wollten, ob in ihrer Gegend unter dem Landvolke noch ältere Lieder gesungen werden“ und Text wie Melodie aufzeichnen und übersenden wollten, so wäre die Gesellschaft ihm sehr verbunden. Nach vielen solchen Einzelinitiativen wurde 1819 eine große wohlorganisierte Volksmusiksammlung gestartet, bei der die Kreisämter, also die Bezirksverwaltungsbehörden, die Anliegen der Gesellschaft unterstützten. Das Ergebnis dieser Volksmusiksammlung ist heute eine der vielen weltberühmten Spezialsammlungen unseres Archivs.