Wer kommt nicht in den Musikverein? Und warum? Warum nehmen viele Menschen, die in Wien leben, die Angebote des Musikvereins nicht wahr? Es gibt sehr viele Menschen in Wien, die keinen Zugang zu Angeboten mit live gespielter Klassik haben – und dies aus vielen unterschiedlichen Gründen. Hier einige Beispiele: Manchen Menschen fehlen die finanziellen Mittel, um sich Tickets leisten zu können. Andere haben eine Bildungsbiographie, in der klassische Musik nicht vorkommt, oder sie haben aufgrund ihrer Sprachkenntnisse nicht die Möglichkeit, die Kommunikation des Musikvereins zu verstehen. Für manche Bewohnerinnen und Bewohner in Wien ist der Weg zum Musikverein zu weit. Und wieder andere Menschen haben eine gesundheitliche Konstitution, die es ihnen nicht erlaubt, Konzerte zu besuchen. Es ließen sich natürlich noch viel mehr Gründe aus anderen Perspektiven aufzählen, beispielsweise mit einem differenzierteren Verständnis der sehr unterschiedliche Gruppen von Menschen in der Stadt, und mit Blick auf ihre Stärken, Bedürfnisse und Interessen, die beispielsweise von aktuell angebotenen Konzertprogrammen nicht adressiert werden. Offenbar gibt es aus unterschiedlichsten Gründen Barrieren, Hürden oder auch Unsicherheiten, Schwellen- und Berührungsängste, die Menschen vom Besuch von Konzerten im Musikverein abhalten.
Diese Situation ist für eine Kulturinstitution wie den Musikverein in einer Stadt wie Wien nichts Ungewöhnliches. Kulturinstitutionen können nie alle Szenen der Bevölkerung einer Stadt erreichen, trotz aller Bemühungen und Erfolge. Aber wie kommt man mit Menschen, die ihren Weg nicht in die Kulturinstitutionen finden, in Kontakt? Welche Programme könnten für diese Menschen interessant und bereichernd sein? Wie soll man das als Kulturinstitution herausfinden? Und über wen spricht man eigentlich, wenn man sagt, dass man „alle“ erreichen möchte? An wen soll man sich wenden? Wie? Mit welcher Art von Sprache, mit welcher Kommunikation, mit was für Programmen? Gibt es überhaupt einen Bedarf? Wozu? Ist das die Aufgabe einer Kulturinstitution, diese Fragen zu stellen?