29.12.2024
Die eigentliche Art, Musik zu machen – Kammermusik mit Janine Jansen
Von Ulrike Lampert
04.12.2024
Wer Janine Jansens Konzertkalender aufmerksam betrachtet, wird unschwer daraus herauslesen, dass die niederländische Geigerin mit auffallender, vielleicht sogar einzigartiger Konsequenz auf eine Ausgewogenheit zwischen solistischen und kammermusikalischen Auftritten achtet. Auch ein Blick ins Konzertarchiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien spiegelt diese Balance wider. Ihr Debüt im Jahr 2004 gab Janine Jansen als Kammermusikerin im Verein mit prominenten Wiener Partnern im Brahms-Saal. Bald darauf folgte ein Kammermusikkonzert mit renommierten internationalen Kollegen im Großen Musikvereinssaal, in dem sie seither in unterschiedlichen Kammerformationen aufgetreten ist.
Freilich ist sie hier auch in schöner Regelmäßigkeit mit großen Violinkonzerten zu erleben, hat Konzerte von Mendelssohn, Bruch, Sibelius, Schostakowitsch und Prokofjew mit den Wiener Symphonikern, der Academy of St Martin in the Fields, den Münchner Philharmonikern und dem Orchestre de Paris gespielt – und zum Jubiläum 200 Jahre Gesellschaft der Musikfreunde in Wien im Jahr 2012 die Uraufführung eines Auftragswerks von Krzysztof Penderecki: das Doppelkonzert für Violine, Viola und Orchester mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons und mit Julian Rachlin an der Viola.
Die Musik und im Besonderen die Kammermusik gehören zu Janine Jansens kräftigsten und prägendsten Wurzeln. Das Umfeld, in das sie hineingeboren wurde, war ein musikalisch äußerst aktives, die Musik wurde stets auch im Familienkollektiv praktiziert. Mit einem Chorleiter zum Großvater, einer Sängerin zur Mutter und einem Organisten zum Vater scheint es geradezu selbstverständlich, dass auch Janine Jansen und ihre beiden Brüder tief in die Welt der Musik eintauchten: Sie fand zur Violine, Maarten zum Violoncello und David nach väterlichem Vorbild zu Orgel und Cembalo. „Mein Vater“, erinnerte sich Janine Jansen in einem früheren Gespräch mit den „Musikfreunden“, „hat mich sehr oft begleitet, wenn ich neue Stücke gelernt habe. Vom Beginn weg, schon als ich nur leere Saiten gestrichen habe, hat er dafür gesorgt, dass es mir Spaß machte, indem er tolle Harmonien dazu gespielt hat. Auf diese Weise hat es sich für mich angefühlt wie richtiges Musikmachen, als würde ich die schönsten Werke spielen.“
„Man muss für Kammermusik die Musiker sehr gut kennen, um nicht immer wieder von vorne anzufangen. Erst mit Freunden kann ich tief genug in das Verständnis der Werke eindringen“
Solch positive, natürliche und organische Erfahrungen gemeinsamen Musizierens schon vom jüngsten Kindesalter an setzten sich während ihrer Ausbildung fort. Ihre erste Lehrerin Coosje Wijzenbeek – Janine Jansen nennt sie bis heute in ihrer offiziellen Biographie an erster Stelle – räumte auch dem Ensemblespiel einen wichtigen Platz ein: Jedes Wochenende gab es Unterrichtsstunden im Quartettspiel mit Bruder Maarten und anderen Kindern.
Das Musizieren im Familienverband, das durch Familienkonzerte früh auch öffentliche Resonanz erfuhr, blieb eine Konstante, selbst als Janine Jansen längst ihr Studium bei Philippe Hirschhorn aufgenommen hatte und Meisterkurse bei Persönlichkeiten wie Isaac Stern, Ana Chumachenco, Josef Gingold und Mstislaw Rostropowitsch absolvierte. Dokumentiert sind die engen musikalischen Familienbande auch auf späteren Tonträgern, etwa auf dem Album „Janine Jansen. Bach Concertos“, an dem, neben anderen ausgewählten musikalischen Vertrauten, Vater Jan und Bruder Maarten wesentlich beteiligt waren.
Seit mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnten schart Janine Jansen alljährlich in den Tagen nach Weihnachten bei ihrem eigenen Internationalen Kammermusikfestival in Utrecht künstlerische Freunde um sich – und bietet in diesem Rahmen auch dem kammermusikaffinen Musiker:innennachwuchs ein Forum.
Kammermusik ist für Janine Jansen „die eigentliche Art, Musik zu machen: miteinander kommunizieren, aufeinander hören und reagieren, Dialoge führen“, wie sie es einmal ausdrückte. Und dabei kommt es ihr letztlich gar nicht auf die Besetzungsgröße an. Diese „eigentliche Art, Musik zu machen“ hat für sie allgemeine Gültigkeit in der Musik: in Formationen vom Duo bis hin zum großen Solo mit Orchester.
Dies zeigt sich auch in jenen Konzerten, die Janine Jansen in der laufenden Saison als Künstlerin im Fokus des Musikvereins gibt: einem Duo-Abend im Dezember, einem Kammermusikprogramm im Jänner und einem solistischen Auftritt mit Orchester im Mai – mit Beethovens Violinkonzert und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter Paavo Järvi, für die Geigerin höchst inspirierende Partner, mit denen sie dieses Werk vor einigen Jahren bereits eingespielt hat.
Ein ausgesprochenes Wunsch-Werk für ihren bevorstehenden Kammermusikabend zum Jahresbeginn 2025 war Erich Wolfgang Korngolds Suite op. 23. „Es ist ein absolutes Meisterwerk, sehr romantisch und ausdrucksstark“, begeistert sich Janine Jansen im Musikvereinsinterview für das 1929/30 komponierte Stück, entstanden im Auftrag des Pianisten Paul Wittgenstein, der im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte. „Es wird viel zu selten gespielt – vielleicht wegen der etwas ungewöhnlichen Besetzung mit zwei Violinen, Violoncello und Klavier linke Hand.“ Sie hebt das wienerische Kolorit dieser Korngold-Suite hervor – ein starker Eindruck angesichts der wenige Jahre nach der Vollendung aus politischen Gründen notwendig gewordenen Emigration des Komponisten. Korngold zur Seite steht in diesem Programm das Erste Klaviertrio von Johannes Brahms, dem einstigen Konzertdirektor der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, der das bereits 1853/54 komponierte Werk mehr als vierzig Jahre später eingehend überarbeitete.
„Man muss für Kammermusik die Musiker sehr gut kennen, um nicht immer wieder von vorne anzufangen. Erst mit Freunden kann ich tief genug in das Verständnis der Werke eindringen“, sagte Janine Jansen einmal. Langjährige musikalische Partner und Freunde sind auch die drei exzellenten Künstler, mit denen Janine Jansen ihren Kammermusikabend gibt: der Pianist Denis Kozhukhin, der bei ihren bisherigen Sonatenabenden im Musikverein am Klavier saß, der Geiger Boris Brovtsyn mit Professur an der Wiener MUK, der unter anderem dem Ensemble von Janine Jansens erwähnter Bach-Aufnahme angehörte, und schließlich der spanische Cellist Pablo Ferrández. In diesem vertrauten, eingespielten und auf die gemeinsame Kammermusik eingeschworenen Kreis gibt Janine Jansen am 7. Jänner Einblicke in ihre Kunst der eigentlichen Art, Musik zu machen.
Dienstag, 7. Jänner 2025
Janine Jansen | Violine
Boris Brovtsyn | Violine
Pablo Ferrández | Violoncello
Denis Kozhukhin | Klavier
Erich Wolfgang Korngold
Suite, op. 23
Johannes Brahms
Klaviertrio Nr. 1 H-Dur, op. 8