Bekehrung mit Bach und Brahms
In den USA geboren, zog Herbert Blomstedt schon im Kindesalter in die skandinavische Heimat seiner Eltern. Nach der Matura, die der Hochbegabte mit siebzehn ablegte, studierte er Musik in Stockholm. Er wollte aufnehmen, so viel er nur konnte. Die Violine war ihm wichtig („Bachs Solosonaten waren damals meine musikalische Bibel“), die Orgel bedeutete ihm viel. Er inskribierte sich, neben dem Fach Orgel, auch in den Fächern Musikpädagogik und Chorleitung.
Der Vokalmusik, erzählt Herbert Blomstedt, war er bis dahin mit Skepsis begegnet – vor allem, weil die ersten Eindrücke davon durch eine „Schallplattenstunde“ im schwedischen Rundfunk geprägt waren, die bei den Blomstedts regelmäßig zum Essen lief. Wenn die Reihe an die obligate Opernarie kam, drehten die Feinsinnigen das Radio ab. „Das war so schlecht! Die haben einfach nicht sauber gesungen!“ Herbert Blomstedt kann sich heute noch ereifern, wenn er davon erzählt und dazu das eiernde Vibrato imitiert, das durch den Äther drang. Auf der Hochschule war es dann etwas ganz anderes. „Mit Bachs ,Singet dem Herrn‘ haben wir begonnen, das war das erste Stück, das wir gesungen haben. Und das hat mich bekehrt!“
Bald folgte das Brahms-Requiem. „Der Chorleiter bot mir an, ein paar Sätze zu dirigieren.“ Blomstedt machte damit seine ersten Schritte als Dirigent. Und dann war es wieder das Brahms-Requiem, mit dem er erstmals an die Öffentlichkeit trat. Bei einem Gedenkgottesdienst leitete der junge Mann die ersten beiden Sätze aus dem Brahms-Requiem, Chor mit Orgelbegleitung. Es war, sagt er heute, ein „entscheidendes Erlebnis für mich. Ich habe vorher nicht vom Dirigieren geträumt.“ Dass dieses Werk nun auch auf den Programmen seiner Geburtstagskonzerte steht, versteht sich da fast von selbst. Der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde ist eingeladen, es mit dem Gewandhausorchester unter Herbert Blomstedt zu musizieren: in Leipzig, Paris, Tokio und, selbstverständlich, auch im Wiener Musikverein.