FASSUNG FÜR DAS UNFASSBARE
„Dieses Werk muss für die damalige Zeit ein Schockerlebnis gewesen sein. Vom ersten Ton an!“ Das Ausrufezeichen will gesetzt sein, es geht gar nicht anders, findet auch Rudolf Buchbinder, der seine Ausführungen über die Sonate op. 57 so beginnt, nachzulesen in seinem faszinierenden Buch „Mein Beethoven“. „Appassionata“ wurde und wird diese Sonate genannt, der Name kam erst nach Beethovens Tod auf, weil auch damit eine Art Ausrufezeichen gesucht wurde. „Appassionata“, die „Leidenschaftliche“ – kein unpassender Begriff, aber doch einer, der noch immer zu kurz greift. Die „Appassionata“, so Buchbinders Freund Joachim Kaiser in einem seiner Bücher, „ist mehr als eine Bühne fabelhafter Leidenschaften. Sie ist … ein Virtuosenstück des Entsetzens“. So kann einen die Sprache schon weit hinaustreiben, wenn man es mit diesem Stück aufnehmen will, und auch musikalisch könnte der Furor mit einem durchgehen. Es sei denn, man schafft die Balance von großer Emotion und klarem Gestaltungswillen und versteht, wie Buchbinder, die Zeichen wissend zu deuten. Auch das kann man nachlesen in seinem Buch: wie exakt der Text beachtet sein will. „Wo schreibt Beethoven ,forte‘, wo ,fortissimo‘? Wo ,piano‘, wo ,pianissimo‘?“ In seinem Studio zu Hause studiert Buchbinder diese Details genauestens und immer wieder aufs Neue. Die Fassung muss klar sein, damit das Unfassbare zum Erlebnis werden kann. Buchbinder spielt Beethovens „Appassionata“ – am 10. Jänner im Großen Musikvereinssaal.