Christoph Lieben-Seutter, Intendant der Elbphilharmonie Hamburg
Der Luxusliner liegt vor Anker. Die Elbphilharmonie, das 2017 eröffnete spektakuläre Konzerthaus in der HafenCity Hamburg, ist derzeit fürs Konzertpublikum gesperrt. „Auch wenn wir uns unglaublich geübt haben in Flexibilität und Erfindungsgabe“, sagt Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seutter, „zehrt die Situation an den Nerven. Sicher: Es gibt genug zu tun im Haus, es wird geprobt, aufgenommen, gestreamt, wir renovieren und ziehen Wartungsarbeiten vor – aber so ein Konzerthaus ohne Publikum bleibt einfach eine traurige Sache.“ Gleichwohl möchte er nicht einstimmen in die Klage, dass die Kultur speziell so stiefmütterlich behandelt werde. Die Elbphilharmonie, räumt er ein, „ist da sicher auch in einer privilegierteren Situation. Wirtschaftlich haben wir keine allzu großen Sorgen, weil wir dem Stadtstaat Hamburg gehören, der uns quasi alle unmittelbaren, durch die Stilllegung des Konzertbetriebs bedingten Einnahmenausfälle kompensiert. Dazu haben wir viel Unterstützung von privater Seite, von Förderern und Sponsoren, die uns gewogen bleiben und auch Extra-Aktivitäten wie Streaming ermöglichen.“ Der Kontakt zum Publikum bleibt eng, nun gepflegt vor allem über die digitalen Medien, über Newsletter und Social Media, „aber es kommen auch“, freut sich Lieben-Seutter, „ganz liebe Briefe von treuen Abonnenten, sogar die eine oder andere Bonbonniere“ – Dank und süße Ermutigung fürs Durchhalten. Die Frage, wann und wie wieder geöffnet werden kann, sieht Lieben-Seutter im Kontext einer großen Diskussion, die in der politischen Öffentlichkeit geführt werden müsse. „Dass wir etwa als Institution am Eingang Tests machen, das ist weder logistisch darzustellen noch steht es uns zu, darüber zu befinden: Du darfst rein – und du nicht. Das muss gesamtgesellschaftlich geklärt werden, und das betrifft natürlich dann auch den Umgang mit den Geimpften. Da sehe ich noch eine große Debatte auf uns zukommen.“ Künstlerisch wird selbstverständlich intensiv weitergeplant in der Elbphilharmonie. Dass die Zeit „nach Corona“ nicht mehr genau so sein wird wie die Zeit „davor“, darauf stellt sich Lieben-Seutter kreativ ein. „Internationale Orchester werden nicht mehr ununterbrochen auf ausgedehnten Tourneen rund um den Globus sein – dieser Orchester-Touren-Zirkus wird sich sicher reduzieren, das hat sich vor der Pandemie schon aus Klimaschutz-Gründen abgezeichnet.“ Und dann – da geht er vollkommen d’accord mit Ilona Schmiel, die auch genau diese Trends nennt: „Die kürzeren Konzertformate, die wir nun praktiziert haben, finden viel positive Resonanz. Ich kann mir vorstellen, dass das teilweise so bleibt. Außerdem hätte ich nichts dagegen, wenn die Planungsvorläufe und die Vorverkaufszeiten etwas kürzer bleiben. Es hat mich schon immer gestört, dass man sich drei Jahre im Vorhinein festlegen muss, wenn man gute Künstlerinnen und Künstler engagieren will. Ich genieße das jetzt gerade: dass man tolle Leute zu einem Projekt engagieren kann, das nächste Woche stattfindet. Das haucht der ganzen Sache frisches Leben ein.“