Hülle und Kern
Als der Große Musikvereinssaal im Jänner 1870 feierlich eröffnet wurde, war das Orgelgehäuse noch leer. Im Zuge des großen, freilich auch mit immensem finanziellem Aufwand verbundenen Bauvorhabens ihres neuen Konzertgebäudes hatte die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien das Projekt Orgel zunächst noch hintan gehalten. Da allerdings der 1868 neu erstellte Studienplan für das gesellschaftseigene Konservatorium das Orgelspiel als wesentlichen Bestandteil der Ausbildung vorsah, wurde doch bereits zu Beginn des Folgejahres die Planung einer Orgel in Angriff genommen.
Mit einer Ausschreibung wandte sich die Gesellschaft der Musikfreunde an namhafte Orgelbauer, darunter auch an den berühmten Aristide Cavaillé-Coll in Paris, der jedoch kein Interesse zeigte, und an Merklin & Schütze, ebenfalls aus Paris, die erst gar nicht auf die Einladung reagierten. Eine eigens einberufene Orgelkommission, der neben Anton Bruckner, dem Orgelprofessor am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde, unter anderem auch die Hofkapellmeister Johann Herbeck und Joseph Hellmesberger d. Ä., Hoforganist Pius Richter und Leopold Alexander Zellner als Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde angehörten, vergab den Auftrag schließlich an Friedrich Ladegast aus Weißenfels an der Saale, der damals als der bedeutendste Orgelbauer im deutschsprachigen Raum galt. Das von Ladegast mit 44 Stimmen konzipierte Instrument wurde auf Wunsch der Kommission auf 52 Stimmen erweitert und erhielt mehrere neuartige technische Spielbehelfe.