Nur ein Jahr leitete er den Studentenchor, den er da aufgebaut hatte - vielleicht klang ihm, was weiß ich, ein Chor mit dem Namen "UNIsono" auf die Dauer zu eintönig -, und außerdem hatte er damals ja seinen "WU-Chor", der für Prinz zum vokalen Königsmacher wurde. Ich blieb in seinem Bann, kam Gott sei Dank im WU-Chor unter und bin heute selbstverständlich - einmal Prinz, immer Prinz - Mitglied im Wiener Singverein. An dem Dornröschen-Erlebnis hat sich nichts geändert, das bleibt, Probe für Probe, eine märchenhaft wunderbare Erfahrung. Denn länger als ein, zwei Minuten dauert sie nie, die tranige Trägheit, mit der man, den Kopf noch halb im Büro, das Sakko über die Sessellehne hängt und leicht irritiert registriert, wie der da vorne schon wieder Energieschübe in die Sängerrunde schickt. Wie macht er das bloß, woher nimmt er das, ist der Mensch eigentlich nie müde ...? Doch im Handumdrehen ist man drin - und singt, singt, singt ... Eins ist klar, denkt man sich, während Prinz tanzt und springt und redet und singt ... Der Mann ist ein Besessener, ein Süchtiger, auch er. Er kennt sie selbst, die Droge des Gesangs. Und wahrscheinlich ist er schon deshalb auch ein so einzigartiger Chorleiter.
Schön, daß er wenigstens ab und zu ins Rampenlicht der Öffentlichkeit tritt und im Großen Musikvereinssaal selbst dirigiert. Bloß schade, daß ich selbst nicht mitsingen kann. Ja, aber so ist das nun mal, wenn man mit einer Chorsängerin verheiratet ist: Da heißt es, Rücksicht nehmen auf die Sucht des anderen, acht geben, daß die sängerischen Entzugserscheinungen das Ehe-Gleichgewicht nicht stören.
Außerdem hören die Kinder noch gern ihre Gute-Nacht-Geschichte und die Kleine braucht - als mühsame Pflichtübung vor dem Schlafengehen - noch den einen oder anderen Tip beim Geige-Spielen. Mit Geige soll sie mal anfangen. Aber wie und wo das endet, ahne ich schon ...
Joachim Reiber
Dr. Joachim Reiber ist Redakteur der Zeitschrift "Musikfreunde" und Mitglied des Wiener Singvereins.